Van der Graaf Generator – H to He, Who Am The Only One
Erscheinungsjahr 1970 | Blu-ray Disc | Progressive Rock
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Die nächste Prog-Band aus den 70ern macht auf sich durch Veröffentlichungen in Surround Sound auf sich aufmerksam. Gemeint ist Van der Graaf Generator, die sich Ende der 60er gründeten, sich Anfang der 70er auflösten, sich Mitte der 70er wieder vereinigten und Ende der 70er wieder auflösten. Mittlerweile gibt es VDGG (so die offizielle Abkürzung) wieder, haben einige weitere Alben aufgenommen und befinden sich in ihrer Kernbesetzung immer noch regelmäßig auf Tour.
Zu der Kernbesetzung gehören Sänger Peter Hammill, Tastenmann Hugh Banton und Schlagzeuger Guy Evans. Lange Zeit war zudem Saxophonist David Jackson Mitglied in den 70ern. Benannt hatte man sich nach dem sogenannten Van-de-Graaff-Generator, einem Gerät zur Erzeugung von Gleichspannung, welches vom gleichnamigen amerikanischen Physiker Ende der 20er-Jahre des letzten Jahrhunderts entwickelt wurde. Van de Graaff starb übrigens kurz vor der Bandgründung, eventuell gab das den Ausschlag für den ungewöhnlichen Bandnamen.
Im Spätsommer diesen Jahres ist eine üppige Box erschienen: The Charisma Years 1970-1978. Van der Graaf Generator war die erste Band, die einen Plattenvertrag bei Charisma Records unterschrieb, was nicht wirklich verwunderlich ist. Der Gründer von Charisma Records war Tony Stratton-Smith, der zudem der Manager der Band war. Eine andere Band, die kurz darauf bei Charisma unterschrieb, war Genesis. Zusammen mit Van der Graaf Generator waren sie in den frühen Jahren auch gemeinsam auf Tour.
Enthalten in der Box sind insgesamt 20 Silberscheiben und ein großes Begleitbuch. Darin enthalten sind sieben Studioalben (nur das Erstlingswerk fehlt, da nicht bei Charisma veröffentlicht), mehrere Livealben und Livemitschnitte, Bonustracks und auf einer Blu-ray reichlich Videoaufnahmen, die damals im Fernsehen gezeigt wurden. Auf zwei weiteren Blu-rays befinden sich insgesamt vier Studioalben in Surround. Das sind H TO HE WHO AM THE ONLY ONE, welches ich hier näher bespreche, PAWN HEARTS, GODBLUFF und STILL LIFE. Die Surround Mixe sind nicht von Steven Wilson erstellt worden, wie man schnell denken könnte, sondern von Stephen W. Tayler. Wer keine Lust hat, viel Geld für ein großes Boxset auszugeben, kann sich freuen, die vier Surroundmixe gibt es auch in Einzel-Editionen.
H TO HE WHO AM THE ONLY ONE ist das dritte Album der Band und erschien kurz vor Weihnachten 1970. Der kryptische Albumtitel ist für Freunde von Naturwissenschaften kein großes Geheimnis. Er beschreibt die sogenannte Proton-Proton-Reaktion, bei der in Sternen Wasserstoff (H) zu Helium (He) umgewandelt wird. Mitten in der Aufnahmephase im Sommer verließ Bassist Nick Potter die Band. Für die Stücke, die noch nicht aufgenommen waren, übernahm Hugh Banton den Bass.
Tracklist:
1 Killer – 8:24
2 House With No Door – 6:37
3 The Emperor in His War Room – 8:15
4 Lost – 11:17
5 Pioneers over c – 12:42
Gesamtdauer: 47:24
Van der Graaf Generator ist eine Band, die weitestgehend ohne Gitarristen auskommt. Peter Hammill spielt auf dem Album ein wenig Akustikgitarre, für weitere Gitarrenparts sicherte man sich prominente Unterstützung in Form von Robert Fripp von King Crimson. Seine Einsätze beschränken sich aber lediglich auf den Song The Emperor In His War Room. Den Part des Lead Instruments übernimmt bei Van der Graaf Generator eher das Saxophon. David Jackson hatte da offenbar viel zu tun, denn manchmal spielte er zwei Saxophone gleichzeitig, wie man in den Videos auf der einen Blu-ray sehen kann.
Somit unterscheidet sich die Musik von Van der Graaf Generator von der anderer Prog-Bands dieser Zeit. Generell ist das ja so, dass eigentlich keine der englischen Progressive Rock Bands sich mit den anderen vergleichen lässt. Alle machten irgendwie ihr eigenes Ding und irgendwann gab man ihnen den Stempel „Progressive Rock“. Die Musik von Van der Graaf Generator ist äußerst düster, was vor allem an den Texten von Peter Hammill liegt. Hinzu kommen die zum Teil sehr extravaganten musikalischen Wechsel, die die Stücke bei den ersten Hördurchgängen sehr seltsam erscheinen lassen. Und dann kommt noch das Fehlen einer typischen Rockgitarre!
Ich habe Van der Graaf Generator erst mit dieser Box kennengelernt und zunächst kamen mir alle Stücke wie das reinste Chaos vor. Doch plötzlich fand ich den Zugang und musste erkennen, dass da doch reichlich Melodien mit Ohrwurmqualität versteckt sind. Das erste Stück Killer atmet noch den Geist der 60er. House With No Door könnte in den Grundzügen fast vom frühen David Bowie sein. The Emperor ist ein Stück, welches sich noch am ehesten mit Genesis und King Crimson vergleichen lässt. Lost ist eine wahre Tour de Force und enthält mehr Melodien, als manche Bands in ihrer gesamten Karriere liefern, was es dadurch aber auch im ersten Augenblick etwas sperrig wirken lässt. Pioneers Over c, wobei das c für Lichtgeschwindigkeit steht, hat wiederum etwas den Hang zum Psychedelischen der End-Sechziger.
Wertung: 84 %
Besetzung:
Peter Hammill – lead vocals, acoustic guitar, piano on „House with No Door“
David Jackson – alto, tenor, and baritone saxophone and devices, flute, vocals
Hugh Banton – Hammond and Farfisa organs, piano, oscillator, vocals; bass guitar on „House with No Door“, „Pioneers Over c“
Guy Evans – drums, tympani, percussion
Nic Potter – bass guitar on „Killer“, „The Emperor in His War Room“, „Lost“
Robert Fripp – guitar on „The Emperor in His War Room“
Was Nick Davis beim Erstellen des Surround Mix zum Genesis-Albums TRESPASS feststellte, dürfte auch für H TO HE gelten, welches im ungefähr selben Zeitraum eingespielt wurde. Es dürfte relativ sicher sein, dass das Album auf einem 8-Spur-Gerät aufgenommen wurde. Dies bedeutet, dass man mit einer überaus diskreten Verteilung der Instrumente in Surround nicht rechnen darf. Und ja, Killer beginnt relativ frontlastig. Orgel, Klavier, Schlagzeug, Gesang, das alles findet sich vorne, wenn auch spürbar etwas gestaffelt. Hinten findet man die Hallanteile der Instrumente vor. Später hört man auch etwas Akustikgitarre in den Rears. Das wilde Saxophon-Solo, welches vermutlich einen Todeskampf mit dem besungenen Meeresungeheuer musikalisch darstellt, wird ebenso wild in den Kanälen hin und her geschickt, verbleibt aber weitestgehend vorne.
Auch House with No Door verwendet die hinteren Kanäle noch relativ spärlich. Hier hört man gelegentlich Orgeltöne sowie eine von Jackson gespielte Flöte. In den nächsten Stücken wird das Album im Surround Sound Mix aber nach und nach doch diskreter. Robert Fripp hört man zum Beispiel im dritten Stück durchaus mal vorne und hinten. Die letzten beiden Stücke, die im Original die komplette zweite Seite der Platte beanspruchten, dürften die beiden diskretesten Stücke im Mix sein, wo immer wieder mal Orgeln, Saxophon oder zusätzliche Gesangsstimmen in allen Ecken des Raumes zu hören sind.
Eine Sache, die mir bei dem Album aber wieder mal aufgefallen ist, ist die Tatsache, dass es doch etwas ausmacht, in welchem Hörraum man einen Surround Mix hört. In meinem kleinen Zimmer, in dem ich meine alte Surround-Anlage zu Hörzwecken habe, gefiel mir der Mix von H TO HE nämlich deutlich schlechter. Im großen Wohnzimmer, wo meine Hörposition weiter mittig im Raum ist, hatte ich am Mix nichts auszusetzen, außer eben, dass er nicht ganz so diskret ist. Im kleinen Zimmer, wo ich auf einem Zweiersofa an der Wand sitze und links und rechts zwei Rear-Lautsprecher an der Wand hängen, ist mir bei einigen Stücken störender Nachhall aufgefallen. Hier hört man vor allem bei Lost den Hall des Schlagzeugs deutlich zeitversetzt, was den Mix ziemlich unruhig macht. Wenn man das einmal bemerkt, kann man nicht mehr weghören. Meine erste Vermutung war, dass die Einmessung des Verstärkers durcheinandergeraten ist. Aber man hört die Delays auch im Wohnzimmer. Dort fallen sie aber nicht auf, weil man doch weiter von den hinteren Lautsprechern sitzt. Im Wohnzimmer hat man eher das Gefühl, dass das Schlagzeug dadurch etwas räumlicher klingt. Vorsicht also, wer einen kleinen Hörraum hat!
Soundtechnisch nimmt man dem Album das hohe Alter von mittlerweile über 50 Jahren ab. Da gibt es Alben aus der Zeit, die besser klingen. Andererseits macht dies aber auch den Charme der Musik aus, dass es nicht so sauber klingt. Worüber ich aber nichts sagen kann, ist, ob der neue Mix irgendwelche gravierenden Abweichungen zum Originalmix hat. Dazu kenne ich das Album viel zu kurz. Aufgefallen ist mir, dass im neuen Mix das verzweifelte „I Love You“ im Song Lost nicht leiser wird wie beim Orginalmix. Mir persönlich gefällt hier die neue Version deutlich besser, da es manischer und verzweifelter klingt.
Wertung: 87 %
Vorhandene Tonformate:
DTS HD Master 5.1
LPCM 96/24 5.1
LPCM 96/24 2.0
Auf der ersten Blu-ray der Box teilt sich H TO HE den Platz mit dem Nachfolge Album PAWN HEARTS. Wenn man auf Enter drückt, erklingt das erste Album, also H TO HE. Leider in Stereo. Dies kann man mittels Audiotaste wieder ändern. Über das Menü direkt auf den Surroundmix umzuschalten benötigt eine etwas komplizierte Kombination auf der Fernbedienung und dürfte ohne eingeschalteten Fernseher oder Beamer schwer zu bewerkstelligen sein.
DTS: UP > ENTER > DOWN > ENTER > DOWN > DOWN > ENTER > DOWN > ENTER
LPCM 5.1: UP > ENTER > DOWN > DOWN > ENTER > DOWN > ENTER > DOWN > ENTER
Das Abrufen von PAWN HEARTS ist da noch weitaus komplizierter, was man in der entsprechenden Rezension dann auch nachlesen wird. Wie das Menü bei der Einzel-Edition ist (dort ist dies übrigens keine Blu-ray sondern eine DVD) kann ich nicht sagen.
Abwertung: – 3 %
Keine wirklichen Extras das Album betreffend. Die Box besteht an sich aus viel Musik und dem großen Begleitbuch. Es gibt aber den Non-Album-Track Boat Of Millions Of Years, der ebenfalls in Surround vorliegt.
Anspieltipp:
The Emperor in His War Room
Der Surroundmix hat noch Luft nachoben, macht aber zum großen Teil viel Spaß, wie das Album auch. Vorsicht aber vor kleinen Hörräumen!
Pros / Cons:
+ Gute Surroundabmischung
+ High Resolution (+1 %)
– Starker Nachhall bei einigen Stücken kann je nach Hörraum deutlich störend wirken
GESAMTWERTUNG: 84 %
Erläuterungen zur Bewertung
Komplett-Box Charisma Years mit Blu-ray: Für 17 CD’s, drei Blu-rays und ein dickes Buch zahlt man ca. 120 Euro. Ich finde, das ist ein durchaus fairer Preis. So fair, dass sie bereits ausverkauft zu sein scheint.
2 CD’s + DVD: Dieses Exemplar ist noch zu bekommen und kostet um die 20 Euro. Das Album liegt einmal im Originalmix und im neuen Stereomix vor, zudem gibt es noch ein paar Bonustracks. Keine Ahnung, ob es sich bei der DVD um eine Audio- oder Video-DVD handelt.
Stand: 05.11.2021
Links:
Webseite von Van der Graaf Generator
4 Replies to “Van der Graaf Generator – H to He, Who Am The Only One”