Camel – Air Born: The MCA & Decca Years 1973-1984


Erscheinungsjahr 2023 | Blu-ray Disc | Progressive Rock

Vor 50 Jahren trat eine neue britische Band auf die Bühne, die im Fahrwasser des damals erfolgreichen Progressive Rock fuhr, aber im Vergleich zu Bands wie Pink Floyd, Yes, ELP, Genesis und King Crimson nicht die ganz großen Erfolge feiern konnte. Ihre Alben kratzten im Heimatland gerade mal an den Top 20, in anderen Ländern landeten sie weitaus abgelegener in den Charts. Die Rede ist von Camel, die eigentlich nur echten Prog Enthusiasten ein Begriff sind.

Umso erstaunlicher war es für mich daher vor einigen Monaten, als ich mit einem Arbeitskollegen in einer Münchner Hotelbar bei einem Feierabendbier saß und plötzlich aus den Lautsprechern ein Stück von Camel gespielt wurde. Das ist eine Situation, die äußerst unwahrscheinlich ist und ich selbst musste zunächst überprüfen, ob in dem Glas tatsächlich nur Bier ist. Da wurde mir klar, dass dieses Jahr ein Camel-Jahr werden würde!

In den ersten Jahren war die Besetzung von Camel konstant, ab Ende der 70er-Jahre gab es dann viele Wechsel, wobei Gitarrist Andrew Latimer die Konstante blieb. Zusammen mit Keyboarder Peter Bardens war er in den Anfangsjahren die treibende Kraft.

Camel Air Born Box-Set

Alle sogenannten Progbands der 70er-Jahre hatten ihren eigenen, unverwechselbaren Stil. Das trifft auch auf Camel zu. So wie Camel klang damals keine andere Band. Am ehesten könnte man sie noch mit Genesis vergleichen, da es hier auch ein ähnliches Zusammenwirken von Keyboards und Gitarren gab. Im Gegensatz zu den frühen Genesis empfinde ich Camel aber als etwas sanfter und melodischer, es gab weniger Dramatik in der Musik. Zudem spielten Lyrics und Gesang eine viel geringere Rolle. So gab es viel mehr Instrumentalpassagen. Auch Camel erlitt das Schicksal, dass sie ab der zweiten Hälfte der 70er-Jahren etwas mainstreamiger wurden. Das markante Gitarrenspiel von Andrew Latimer, welches mit dem von David Gilmour verglichen werden kann, blieb aber, sodass es auch in den späteren Jahren zahlreiche Highlights auf den Camel-Alben gibt.

Zwischen Genesis und Camel gibt es übrigens einen kleinen Berührungspunkt. Sowohl Phil Collins als auch Ur-Gitarrist Anthony Phillips sind auf späteren Alben als Gäste zu hören. Collins auf dem Album I CAN SEE YOUR HOUSE FROM HERE von 1979 und Phillips auf THE SINGLE FACTOR von 1982. Phillips und Latimer sollen zudem gute Freunde sein.

Eigentlich sollte es in diesem Jahr eine Jubiläumstour mit Camel mit dem Titel „50 Years Strong“ geben. Andrew Latimer erkrankte jedoch, sodass die Tour abgesagt und auf unbestimmte Zeit verschoben wurde. Den 50. Geburtstag feiert man aber trotzdem und zwar mit einem üppigen Boxset, das alle Veröffentlichungen, die zwischen 1973 und 1984 erschienen sind, abdeckt.

Camel Air Born Box-Set

Die Box „Air Born: The MCA & Decca Years 1973-1984“ kommt in derselben Aufmachung daher wie ähnliche Boxen, die zu Van Der Graaf Generator und Tangerine Dream in den letzten Jahren erschienen sind. Neben einem dicken Begleitbuch gibt es reichlich CDs und Blu-rays, auf denen nicht nur die Studioalben verewigt wurden, sondern auch Unmengen an Raritäten und Livemitschnitten. Bei Camel nimmt das schon Auswüchse an, denn enthalten sind insgesamt 27 CDs und fünf Blu-rays. Wer nun meint, dass diese Box damit unbezahlbar wird, der irrt, denn sie gibt es für um die 150 Euro, was sich bei der Menge schon als echtes Schnäppchen entpuppt. Bei dem Preis findet sie allerdings auch reißenden Absatz, sodass es nicht mehr lange dauern dürfte, bis die Box wirklich unbezahlbar wird, weil sie dann nicht mehr regulär erhältlich ist.

Zwei der Blu-rays enthalten TV- und Konzertaufnahmen, unter anderem ist hier das Pressure Points Konzert von 1984 enthalten, welches damals auf VHS erschienen ist. Dies lässt schon vermuten, echtes HD-Material ist auf diesen beiden Blu-rays nicht enthalten.

Camel Air Born Box-Set

Spannender sind die anderen drei Blu-rays. Denn auf ihnen befinden sich gleich fünf Surroundmixe, die alle von Stephen W. Tayler erstellt wurden. Er hatte unter anderem auch die Mixe für die Van Der Graaf Generator Box vorgenommen. In den letzten Monaten erschienen unter anderem von ihm erstellte 5.1-Mixe zu zwei Alben von Barclay James Harvest und einem Album von Marillion. Steven Wilson bekundete vor 10 Jahren bereits ein Interesse, Camel in Surround abzumischen. Interessant ist, dass er es letztendlich nicht in die Tat umgesetzt hat, was aber daran liegen dürfte, dass er in diesem Bereich nicht gerade wenig zu tun hat. Mit Tayler ist aber ein würdiger Ersatzmann gefunden worden.


Box beinhaltet folgende Alben in 5.1:

Camel (1973)
Mirage (1974)
The Snow Goose (1975)
Moonmadness (1976)
Nude (1980)


Für die Camel-Remixe hat man die ersten vier Alben gewählt, die allgemein als die Hochphase angesehen werden und das 1980 erschienene Konzeptalbum NUDE. Somit sind fünf von zehn Studioalben, die in der Box enthalten sind, in Surround verfügbar. Ich finde es dennoch etwas bedauerlich, dass man nicht alle Alben in Surround neu abgemischt hat. Eine Selektion auf diese Alben wertet die nicht abgemischten Alben nur unnötig ab. Auch die anderen Alben bieten einige Highlights, die man gerne auch in Surround hätte hören wollen.

Camel Air Born Box-Set

Die Surroundmixe in der Box machen eine sehr gute Figur. Sie sind weitestgehend sehr diskret und heben das klangliche Niveau der Alben auch deutlich an. Besonders angetan haben es mir hier das Debütalbum und THE SNOW GOOSE. Letzteres ist ein rein instrumentales Album, welches mit Orchester aufgenommen wurde. Dieses lässt sich in Surround nun viel besser heraushören, was einem das Gefühl vermittelt, man würde das Album wieder zum ersten Mal hören.

Insgesamt ist die Box für alle Camel-Fans ein absolutes Muss. Ich besaß zuvor bereits alle Studioalben auf CD oder Vinyl, habe aber überhaupt nicht den Eindruck, als hätte ich etwas gekauft, was ich nicht mehr bräuchte. Dafür ist viel zu viel Bonuscontent enthalten und die Surroundmixe sind etwas, wovon man in den letzten Jahren oft geträumt hatte.


Links:

Offizielle Seite von Camel

 

2 Replies to “Camel – Air Born: The MCA & Decca Years 1973-1984”

  1. Die Studio Version von The Snow Goose ist im Original ohne Orchester. Die Live Version auf A Live Record ist mit Orchester.

    Da ich die Box nicht habe: Ist bei der 5.1 BluRay ein Orchester dazu gemischt worden?

    Grüsse Oliver

  2. Doch, auch auf dem Studioalbum sind Orchesterparts. Es spielt das London Symphony Orchestra unter der Leitung von David Bedford. In den Credits auf der LP ist allerdings nur von Orchestral Arrangements die Rede. Im Vergleich zur Live-Fassung sind die Parts aber deutlich dezenter. In Surround hört man sie jetzt besser raus.

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