Porcupine Tree – In Absentia


Erscheinungsjahr 2002 | DVD-Audio (2003) / Blu-ray Disc (2020) | Progressive Rock

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Von Mike W. K.

IN ABSENTIA erschien 2002, die Surround DVD-A 2003. Verschiedene Quellen geben 2004 an, aber auf meiner Hülle steht 2003. Rechtzeitig zur Wiederveröffentlichung am 28.2.2020 (Blu-ray inkl. dem besprochenen 5.1 Mix) erscheint dazu diese Rezension.

Gleich vorweg: das ist keine leichte Kost, was auf diesem Album geboten wird. Es ist ein Album voller Gegensätze. Auf der einen Seite enthält es gute Rocksongs, aber auch sehr harten Prog-Metal und dann im krassen Gegensatz dazu sehr einfühlsame, melancholische und sphärische Stücke.

Ich habe lange gebraucht, um dieses Album zu verstehen, habe es oft gehört und wieder weg gelegt. Aber irgend etwas gab es, was mich nicht von der Musik losließ, mich faszinierte, trotz der teilweise sehr harten Musik (Hinweis: es gibt nur cleanen Gesang im Gegensatz zu Opeth!), die ich bis dato (2004) so noch nicht gehört hatte. Die Auseinandersetzung mit dieser für mich damals neuen Musik hat mir nicht nur die Türe zum Prog-Metal insgesamt geöffnet, sondern auch dieses Album zu einem meiner Top-Favoriten gemacht. Wer die Herausforderung annimmt, wird definitiv belohnt.

Mit diesem Album gab es einige Veränderungen. Porcupine Tree ging erstmals zu einem „Major Label“ und es gab einen Besetzungswechsel. Als Schlagzeuger kam Gavin Harrison aufgrund einer Empfehlung von Richard Barbieri dazu. Harrison sagte einmal, er habe ca. acht Tage Zeit gehabt (hoffentlich habe ich das korrekt in Erinnerung), sich auf die Sessions im Avatar Studio, New York – USA vorzubereiten. Und seine Vorbereitung war exzellent. Für den stilistischen Wechsel hin zum Metal hat er einen entschiedenen Beitrag durch seine Spielweise beigetragen und ist meiner Meinung nach einer der weltbesten Schlagzeuger derzeit.

Zum Surroundmix: dieser wurde von Elliot Scheiner gemacht, nicht von Steven Wilson. Möglicherweise war dieser Mix auch die Initialzündung für Wilson, seine Musik in 5.1 herauszubringen und Surround Remixes zu machen. Im Booklet wird Elliot mit zwei t als Elliott geschrieben. Ich bin gespannt, wie er in der Wiederveröffentlichung geschrieben wird.


Tracklist:

 01 Blackest Eyes – 4:23
02 Trains – 5:56
03 Lips Of Ashes – 4:39
04 The Sound Of Muzak – 4:59
05 Gravity Eyelids – 7:56
06 Wedding Nails – 6:33
07 Prodigal – 5:32
08 .3 – 5:25
09 The Creator Has A Mastertape – 5:21
10 Heartattack In A Layby – 4:15
11 Strip The Soul – 7:21
12 Collapse The Light Into Earth – 5:52

Bonus Songs
13 Drown With Me – 5:12
14 Chloroform – 7:14
15 Futile – 6:06

Gesamtdauer: 86:46


Die Musik und der Surroundmix:

01. Blackest Eyes
Es geht gleich los mit einer melodischen Heavy-Rock Nummer. Der Gesang ist vorne, d.h. auf den Front- und Centerlautsprechern (zusammen mit einer akustischen Gitarre), der Effektanteil und der Chorusgesang in den Rears prominent. Die vielen teils gedoppelten Gitarren sind im Surroundfeld verteilt. Das geht ordentlich zur Sache.

02. Trains
Trains beginnt mit Steven Wilsons Leadgeang vorne zusammen mit seiner Westerngitarre, und zwar so, wie er den Song auch live spielt und gleichzeitig singt. Effekte und Klavier kommen in den Rears dazu, E-Gitarren ab der zweiten Strophe in den Rears, das Schlagzeug aber vorne. Das wirkt dadurch sehr diskret von der Verteilung der Instrumente auf die Kanäle. Im zweiten Drittel passiert allerhand viel in den Rears, Banjo, Claps, die im Panorama wandern, Gitarrensolo rechts uvm. Im Outro sind schöne heavy Gitarrenriffs gut im Raum verteilt und Richard Barbieris Texturen in den Rears. Ein schöner Song, der auch im Mix sehr abwechslungsreich gestaltet wurde.

03. Lips Of Ashes
Unglaublich melodisch und mit sehr viel Melancholie wird dieses ruhige Stück gespielt. Sehr beeindruckend finde ich die räumliche „hammered dulcimer“ und die gedoppelten akustischen Gitarren. Stevens Lead Vocals sind wie üblich vorne, aber seine weiteren Stimmen sind überall wunderbar verteilt. Die Keybords sind vorwiegend in den Front Speakern, das Solo auf der E-Gitarre ist vorne mittig zu hören.

04. Sound Of Muzak
Ein vertrackter Rocksong, ohne dass du es zunächst merkst. Ich habe bisher noch nichts über den neuen Schlagzeuger Gavin Harrison geschrieben. Spätestens jetzt wird es aber Zeit dafür. Nicht umsonst bezeichnet er sich als Rhythmic Designer. Bei Sound of Muzak kann er voll überzeugen. Ich hatte vor über 10 Jahren die Möglichkeit mit ihm über diesen Song persönlich zu sprechen und er erklärte mir die rhythmischen Figuren auf dem Schlagzeug wie folgt: Auf der Bassdrum spielt er eine 7/4 Figur, auf der Snaredrum ein 7/8 Pattern und auf den Hihats eins in 7/16. Polyrhytmisch. Er sagte, dass er noch nie Leute auf einen 7er Rocksong hat tanzen sehen… Das liegt daran, dass er die „Eins“ im Schlagzeuggroove so betont, als wäre es ein 4/4 Takt, wie im Chorus. Raffiniert, vertrackt und dennoch sehr songdienlich.

05. Gravity Eyelids
Hier machen sich meine fünf full-range Lautsprecher bemerkbar, da Synthibässe in den Rears gemischt wurden. Gavin spielt zu einem bearbeitetem Drumloop auf den Frontlautsprechern. Ein Mellotron ist ebenfalls vorne zu hören. In der Mitte wechselt die verhaltene Stimmung mit den im Raum verteilten heavy Gitarren, es passiert viel in diesem Arrangement. Elliot Scheiner hat viel zu tun gehabt und konnte die vielen Effekte gut im 5.1 Mix verteilen. Insgesamt ein düsterer Song.

06. Wedding Nails
…ist ein instrumentale Metal-Nummer, wieder sehr düster, mit vielen verteilten verzerrten Gitarren (ich vermute Baritones, die tiefer in der Tonlage gestimmt sind, als übliche E-Gitarren). Richards Texturen sorgen zusätzlich für eine gruselige Stimmung. Wenn Wilson das beabsichtigt hat – wovon auszugehen ist – , dann ist ihm das gründlich gelungen. Das Riff zu Beginn des Outros ist Klasse und leitet in die sehr düstere Atmo im Ausklang der Nummer über. Endzeitstimmung! Aber: Insgesamt gut zum Headbangen!

07. Prodigal
…beginnt in den Frontlautsprechern mit Gitarre, Schlagzeug, Bass und Gesang und etwas Effektanteil in den Surroundkanälen. Klavier und Orgel sind mehr in den Rears hörbar. Das Schlagzeug ist hier detailliert auf den Frontlautsprechern zu hören. So kann der Zuhörer gut verfolgen, was Harrison für kleine raffinierte Sachen innerhalb des Songs treibt, die einerseits tricky und andererseits dennoch songdienlich sind. Ein schöner Rocksong, der fließend in den nächsten übergeht.

08 .3
Viel Text hat .3 nicht, ich habe ihn immer zu Prodigal getan. Er beginnt mit einem markanten Bass-Riff und Streichern in den Rears und erinnert mich ein wenig an Even Less (auf der Stupid Dream), was aber hier sehr gut passt. Wilson baut mit .3 die entstandene Spannung aus Wedding Nails wieder ab. Die Leslie-Gitarren in der Mitte sind wunderschön im Zusammenspiel mit der Akustischen in der Mitte im Arrangement eingeordnet.

09. The Creator Has A Mastertape
…startet mit einem Gitarrenriff und Drums & Bass Groove auf dem Frontlautsprechern. Effekte hat Elliot Scheiner auf die hinteren Kanäle gelegt. Die „noisy“ Gitarren von den beiden Alben vorher sind wieder da, fast überall im Raum verteilt. Das Stück gewinnt deutlich in 5.1 gegenüber Stereo und wird durch den Surroundmix richtig interessant.

10. Heartattack In A Layby
Das Stück ist einer der schönsten und emotionalsten Songs, die Wilson je geschrieben und arrangiert hat. Es ist eine ganz sanfte Nummer mit Kanongesang, der nochmals durch die Verteilung der Stimmen im Surroundfeld massiv gegenüber dem Stereomix gewinnt. Akustische Gitarren, E-Piano, Keyboards, sowie die Autos, die vorbeifahren und vieles mehr, machen den Song zu einem Anspieltipp.

11. Strip Your Soul
Echter, schwerer Prog-Metal, und (selbstverständlich) auch düster. Die Surround-Lautsprecher werden gut benutzt, da doch allerhand im Arrangement vorhanden ist, was verteilt werden will.

12. Collapse The Light Into Earth
Nach der heavy Nummer zuvor hat Wilson einen melodischen, ruhigen Song an den Schluss platziert, sozusagen als versöhnliches Outro für dieses bemerkenswerte Album.

Bonus-Tracks:
Danach 2x Enter drücken und es geht weiter mit den Bonustracks, die nacheinander abgespielt werden, wobei Futile auf meinem DVD-Audio Abspielgerät irgendwie nicht abspielen will.

13. Drown With Me
Markant hier im Mix ist der prominente Effektanteil von Wilsons Leadvocals in den Rears. Die Orgel und die vielen Stimmen im Chorus sind vorwiegend in den Rears zu hören. Ansonsten sind die Instrumente ausgewogen verteilt.

14. Chloroform
…beginnt mit einem schönen unkonventionellen Drumgroove von Gavin Harrison. Dazu kommen Texturen von Richard Barbieris Synthesizern. Das Lied baut sich Stückweise auf und ist insgesamt sehr räumlich.

15. Futile
Eine wirkliche düstere heavy Nummer als letzte Zugabe. Gavin Harrison hat hier wieder seinen sehr kreativen Anteil eingebracht. Was mir besonders an diesem Song gefällt, ist die Rhythmusarbeit. Insbesondere das unglaublich gute Schlagzeugspiel und die fetten Gitarren auf allen Lautsprechern fallen dabei auf.

Mir gefällt die Version, die Porcupine Tree im Rockpalast live spielt allerdings von der Spielweise etwas besser, denn die ist noch viel agiler. Die gibt es nicht in 5.1, aber das Rockpalastkonzert kann bei buringshed.com als download im mp3 oder flac-Format in Stereo gekauft werden. Bemerkenswert ist außerdem die Bigband Jazz Version, die Harrison auf seiner Solo-CD „Cheating The Polygraph“ darbietet, die es auch in Sourround gibt. Diese DVD wird zu einem anderen Zeitpunkt besprochen werden. Es gibt außerdem auf Youtube davon ein „Play along“ mit ihm und dieser Bigband Version. Empfehlenswert anzusehen!

Elliot Scheiner ist bekannt für seine guten Surroundmixe. Vor allem die Blu-Ray: The Eagles – First Final Farewell I aus Melbourne kann ich nur empfehlen. Aber ich muss auch klar hinzufügen, dass Wilson seine Mixe noch etwas besser macht, nicht nur die Songs, welche er selbst geschrieben und arrangiert hat, sondern auch seine Remixe von Porcupine Tree (ja!), Yes, King Crimson, Jethro Tull uvm. Aber das ist bestimmt auch Geschmackssache.

Wertung: Musik: 98 %  / Mix und Sound: 92 %


Besetzung:

Richard Barbieri – keyboards
Colin Edwin – bass
Gavin Harrison – drums
Steven Wilson – vocals, guitars, keyboards

John Wesley – Guitar, Vocals
Aviv Geffen – Vocals


Der Sound:

Die Dynamic-Range Database listet den DVD-A 5.1-Mix mit DR11. Das ist gut, weil dynamisch. Die CD von 2002 ist viel stärker komprimiert, was dem Klang schadet, aber das ist eben nicht beim Surround-Mix der Fall.

Sicher ist, Musik mit fünf gleichwertigen Lausprechern in Surround zu hören ist auf jedem Fall sinnvoll. Drei Brüllwürfel für Center und Surround als Ergänzung machen einfach keinen guten Sound. Ist das vielleicht ein Grund, warum sich 5.1 nie so richtig durchsetzen konnte?

Die neue Deluxe Ausgabe im LP-Format mit Blu-ray

Die neue Deluxe Ausgabe im LP-Format mit 3 CD’s und einer Blu-ray.


Vorhandene Tonformate:
MLP 5.1 48/24 (DVD-Audio)
MLP 2.0 48/16 (DVD-Audio)
DTS 5.1 48/16 (DVD-Video)
PCM 2.0 48/24 (DVD-Video)
DTS-HD Master 5.1 (Blu-ray)
LPCM 48/24 5.1 (Blu-ray)

Album starten:

DVD-A einlegen, kurz warten und dann ENTER, neue Deluxe Ausgabe mit Blu-ray ebenso.


Bonusmaterial:

Drei weitere Songs in Surround
Lyrics & Photo Gallery
Videos
Dokumentation zum Album (nur Blu-ray-Ausgabe)

Aufwertung: + 3 %


Anspieltipp:

Im Grunde alles, aber Blackest Eyes, Lips of Ashes, auf jeden Fall Sound of Muzak, Heartattack in a Layby


Fazit:

Pflichtprogramm. Unbedingt kaufen. Auch wenn die Neuausgabe mit dem Buch teuer ist, sind doch alle „Special Editions“ von Steven Wilson sehr kunstvoll gestaltet. Und wer weiß, was ein Fotobuch kostet, dann relativiert sich der Preis. Sofern man bereit ist, das zu investieren…

Pros / Cons:
+ Sehr guter, diskreter Surroundmix
+ Bonusmaterial, Bonussongs (+3%)
+ High-Res Surround (+1%)

GESAMTWERTUNG: 98 %

Erläuterungen zur Bewertung

Verfügbarkeit:

CD + DVD-A: gebraucht ab 25€

Deluxe Edition 2020 (3 CDs + Blu-ray): Das 100-seitige Buch mit drei CDs und einer Blu-Ray wird ca. 63 €+Versand bei burningshed kosten, ca. 70 € bei justforkicks oder 72 € bei JPC. Erscheint am 28.2.2020.

Stand: 21.02.2020


Links:

Webseite von Porcupine Tree

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