Gentle Giant – Three Piece Suite


Erscheinungsjahr 1970-1972 (2017) | Blu-ray Disc | Progressive Rock

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Progressive Rock an sich gilt nicht gerade als leichte Kost unter den Musikrichtungen. Typisch für Prog sind Lieder, die länger dauern als die typischen 4 Minuten, die oft von ausufernden Gitarren- und Keyboardsoli durchsetzt sind, verschiedene Stilbrüche, schräge und unschräge Taktwechsel haben, und zumeist mehr als die üblichen drei Akkorde pro Song brauchen. Die schottische Formation Gentle Giant treibt das Ganze sogar noch auf die Spitze, sodass die anderen bekannteren Progbands im Vergelich dazu noch regelrecht kommerziell klingen.

Gentle Giant ging hervor aus der Formation Simon Dupree and the Big Sound, einer Popband, die aber wenig Erfolg hatte. Sie bestand im Kern aus den Brüdern Phil, Derek und Ray Shulman, die allesamt verschiedenste Instrumente spielen konnten. Mit dem Wunsch komplexe Musik zu machen, die auch vor klassischen Harmonien und Strukturen nicht zurückschreckte, löste man die Band auf und gründete 1970 den höflichen Riesen. Zu Simon Dupree gehörte zeitweise ein gewisser Keyboarder mit dem Namen Reginald Dwight dazu, der später – weil er bei Gentle Giant nicht mitmachen durfte – eine Solokarriere startete und sich Elton John nannte.

Mit den Giants beschäftige ich mich persönlich erst seit etwas länger als einem Jahr und das ist einzig der Tatsache geschuldet, dass auch sie anfingen ihre alten Platten in 5.1 herauszubringen. Und ja, ihre Musik ist schon sehr eigen und größtenteils sehr speziell arrangiert. Aber ich finde schon, dass vieles davon sehr melodisch klingt und fand hier schneller Zugang als zu ELP, Yes oder Jethro Tull.

Eine alte ausgestorbene Prog Band, die seit 1980 kein Album mehr herausgebracht hat, bringt in der Neuzeit ihre Alben in Surroundsound heraus. Da liegt die Vermutung nahe, dass hier auch wieder dieser Steven Wilson seine Finger im Spiel hat. So ist es dann auch. Bisher sind die beiden Alben OCTOPUS und POWER TO THE GLORY in 5.1 erschienen, die das vierte bzw. sechste Studioalbum der Band sind. Die ersten drei Einspielungen hätte man auch gerne in 5.1 veröffentlicht, jedoch fand man nur für eine handvoll der Songs die benötigten Bänder. Aus diesem Grund hat man sich dazu entschieden; aus dem vorhandenen Material eine Compilation mit dem Namen THREE PIECE SUITE zusammenzustellen, deren Covermotiv die Coverabbildungen der ersten Alben enthält – in Form einer Wohnzimmergarnitur.


Tracklist:

1 Giant – 6:27
2 Nothing At All – 9:07
3 Why Not? – 5:32
4 Pantagruel’s Nativity – 6:55
5 The House, The Street, The Room – 6:08
6 Schooldays – 7:42
7 Peel The Paint – 7:36
8 Mister Class And Quality – 5:51
9 Three Friends – 2:56
10 Freedom’s Child – 3:57

Gesamtdauer: 62:15


Die Musik:

Die ersten drei Alben GENTLE GIANT, ACQUIRING THE TASTE und THREE FRIENDS kamen zwischen 1970 und 1972 heraus. Die ersten beiden Alben wurden noch von Tony Visconti produziert, den man in erster Linie mit David Bowie in Verbindung bringt. Die dritte Veröffentlichung produzierte die Band dann im Alleingang. Die musikalische Weiterentwicklung von Gentle Giant auf diesen drei Alben innerhalb von 2 Jahren ist beträchtlich, fällt aber auf THREE PIECE SUITE gar nicht mal so stark auf, was daran liegen könnte, dass alle Stücke eh völlig unterschiedlich zueinander klingen. Man täte sich schwer damit, ein einziges Stück herauszupicken und zu sagen, dass es typisch Gentle Giant wäre. Wenn man jedoch mehrere Lieder gehört hat und einen Eindruck davon erhalten hat, wie die Band mit Melodien, Harmonien, Arrangements und Takten herum trickst, merkt man das die Stücke doch irgendwie einen gemeinsamen Nenner haben. Die vorliegende Compilation mag dadurch fast wie ein eigenständiges Album klingen und eignet sich prima dazu, diese Band kennenzulernen. Es ist kein Best Of der ersten Alben, denn hier wurden ja nur die Lieder verwendet, von denen die Bänder noch existierten. Von daher lohnt es sich bei Gefallen auf jeden Fall noch in die kompletten Alben hineinzuhören, die auf der Blu-ray als Bonus vollständig beiliegen.

Die Zusammenstellung ist nahezu chronologisch. Die ersten drei Stücke sind vom ersten Album, es folgen zwei vom zweiten und schließlich vier vom dritten Studioalbum. Abgeschlossen wird das Ganze vom Song Freedom‘s Child, welches ein Demo aus den Anfangstagen der Band war und zu dem die Mehrspurbänder gefunden wurden.

Wertung: 87 %


Besetzung:

Gary Green – lead guitar, 12 string guitar, Mandolin, bass, backing vocals
Kerry Minnear – Hammond organ, Minimoog, Mellotron, piano, tympani, xylophone, vibraphone, cellos, bongos, triangle, backing and lead vocals
Derek Shulman – lead and backing vocals, alto saxophone, clavichord, cowbell
Phil Shulman – trumpet, alto baritone and tenor saxophones, recorders, clarinet, piano, backing and lead vocals
Ray Shulman – bass, electric and acoustic guitar, violins, triangle, backing vocals
Martin Smith – drums
Malcolm Mortimore – drums


Der Surroundmix:

Bei der Vielfalt in den Arrangements, die Gentle Giant auf ihren Alben an den Tag gelegt haben, würden heutige Bands für ein Album mehrere Jahre Produktionszeit brauchen. Es ist unfassbar, wie viele kleine Melodien und Nuancen in die Lieder gepackt wurden. Das alles lässt sich nun in der Surroundabmischung sehr gut heraushören. Diejenigen, die die Songs seit Jahrzehnten kennen (ich gehöre wie oben erwähnt ja nicht dazu) dürften hier eine Menge neues entdecken und die Musik völlig neu erfahren.

Steven Wilson zieht in dem Surroundmix alle Register und man hat fast das Gefühl, dass ihm die Abmischung der Stücke besonders viel Spaß gemacht hat. Er behält hier aber immer auch den Originalmix im Auge und legt den Surroundmix entsprechend an. So werden auch hier beim längeren wilden Schlagzeugsolo im Song Nothing at All, wilde Panningeffekte vollführt, die hier aber im Gegensatz zur Links-Rechts-Hacken im Stereomix frei durch den Raum kreisen. Während des Schlagzeugsolos erklingen übrigens Auszüge von Liebestraum No. 3 von Franz Liszt (diese Kombination!) und irgendwann fliegen Schlagzeugsolo und das verträumte Klavierstück wild durch den Raum, als wäre eine musikalische Gravitation aufgehoben. Sehr gewöhnungsbedürftig aber irgendwie auch passend für diese etwas durchgeknallte Band und ihre Musik. Und, um nochmal auf das Covermotiv zurückzukommen, die freischwebende Wohnzimmergarnitur stellt den Surroundmix sehr schön bildlich dar.

Überhaupt muss man sagen, dass der Klang für fast 50 Jahre alte Aufnahmen, außerordentlich gut ist. Alles klingt zum großen Teil sehr fein aufgelöst, klar und authentisch. Auch das Demo Freedom‘s Child klingt richtig gut, was man so nicht erwartet hätte.

Mein Highlight der Platte ist der Song Schooldays. Diesen kann man getrost als maximal abgedreht betrachten, was das Arrangement, die unzähligen Stilwechsel und die vielen kleinen Ideen und Gimmicks angeht. Diese kleine Rockoper fängt zunächst mit einem instrumentalen Intro bestehend aus Vibraphone (vorne links) und Gitarre (hinten links) an. Danach folgt der zweistimmige Gesang (eine Stimme vorne, die zweite hinten), bei dem sich beide Stimmen die einzelnen Wortsilben des Textes abwechselnd zuwerfen. Das Ganze macht im Surroundmix sehr viel Spaß.

Wertung: 96 %


Vorhandene Tonformate:
DTS HD Master 5.1
LPCM 96/24 5.1
LPCM 96/24 2.0
 

Album starten:

Der Albumstart ist simpel: Einlegen, etwas warten, Entern und ab geht die Post.


Bonusmaterial:

Wie oben bereits erwähnt, die kompletten Alben liegen auf der Blu-ray als Bonus im Original Stereomix bei. Für langjährige Fans nicht weiter erwähnenswert, für Neulinge eine tolle, nicht selbstverständliche Geste. Außerdem enthalten sind Instrumentalversionen der Songs. Es lohnt sich übrigens auch mal den Surroundmix mit eingeschaltetem Fernseher zu hören. Denn jedes Stück hat ein eigenes animiertes Video, was mal mehr, mal weniger aufwendig produziert ist.

Aufwertung: +2 %


Anspieltipp:

Schooldays


Fazit:

Für alle Fans der Riesen ein Muss und für alle anderen die Gelegenheit um eine fast in Vergessenheit geratene Band kennenzulernen.

Pros / Cons:
+ Ausgezeichneter Mix
+ High Resolution (+1 %)
+ keine Menü-Stolperfallen
+ animierte Videos und die kompletten drei Originalalben als Bonus enthalten (+2%)
– Jammerschade, dass nicht alle Bänder gefunden wurden

 

 

GESAMTWERTUNG: 96 %

Erläuterungen zur Bewertung

Verfügbarkeit:

Blu-ray: Die CD mit Blu-ray ist noch ohne Probleme für ca 17 € zu bekommen. Aufpassen: Es gibt das Album auch als normale CD ohne Blu-ray.


Stand: 07.02.2018


Links:

Offizielle Seite von Gentle Giant (kaum der Rede wert…)

 

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