Peter Gabriel – I/O (In-Side-Mix)
Erscheinungsjahr 2023 | Blu-ray / Streaming | Art Pop
Springen zu: Musik | Surroundmix | Albumstart | Bonusmaterial | Fazit | Verfügbarkeit
Über 21 Jahre hat es nun gedauert, bis Peter Gabriel einen Nachfolger für sein 2002 erschienenes Album UP veröffentlicht hat. Dieses heißt I/O, ein Titel, der bereits kurz nach UP angekündigt wurde. Damals hieß es noch, das nächste Album wäre fast fertig. Nun ja, Zeit ist relativ, wie man an der Arbeitsweise von Peter Gabriel sehen kann.
Die Songs auf dem Album, das am 1.Dezember veröffentlicht wurde, sind längst alle bekannt. Seit Jahresanfang veröffentlichte Peter Gabriel zu jedem Vollmond jeweils einen neuen Song, entweder im sogenannten Bright-Side-Mix, den Mark Stent erstellt hat, oder im von Tchad Blake angefertigten Dark-Side-Mix. Der alternative Mix wurde jeweils zum Neumond veröffentlicht. Ebenfalls an Neumond erschien noch der jeweilige In-Side-Mix in Dolby Atmos, für den Hans-Martin Buff verantwortlich war. Die Veröffentlichungen zu den Mondphasen geschahen rein digital. Erst jetzt sind die Stücke auch auf physikalischen Medien erhältlich.
Auf CD wurde I/O als Doppelalbum veröffentlicht. Es gibt zwei CDs, jeweils mit den Bright-Side- und Dark-Side-Mixen. Wer Vinyl präferiert, muss sich zwischen einem der Mixe entscheiden oder eben das Album zweimal als Doppel-LP kaufen. Fans von Surroundsound greifen zu einer weiteren Ausgabe, die neben der Doppel-CD auch noch eine Blu-ray mit den In-Side-Mixen enthält. Im März soll zudem eine Deluxe-Box erscheinen, die beide Doppel-LPs, die Doppel-CD und die Blu-ray enthält.
Das Artwork des Albums zeigt ein Schwarz-weiß-Portrait von Peter Gabriel, welches vom bekannten Fotografen Nadav Kander erstellt wurde. Es ist eine Doppelbelichtung, bei der Gabriels transparente Hände nach seinem Kopf zu greifen scheinen. Ein düsteres Bild, welches aber stark an die Albencover von Hipgnosis erinnert, die das Artwork der ersten vier Alben des Engländers konzipiert hatten.
Tracklist:
1 Panopticom – 5:19
2 The Court – 4:21
3 Playing for Time – 6:19
4 I/O – 3:53
5 Four Kinds of Horses – 6:48
6 Road to Joy – 5:25
7 So Much – 4:52
8 Olive Tree – 6:02
9 Love Can Heal – 6:03
10 This Is Home – 5:05
11 And Still – 7:45
12 Live and Let Live – 7:12
Gesamtdauer: 69:02
Die Reihenfolge der Stücke auf I/O gleicht exakt der Reihenfolge, wie sie Vollmond für Vollmond einzeln veröffentlicht wurden. Interessant ist, dass ich in den ersten Monaten diese Veröffentlichungsreihenfolge als eher unpassend für das Album empfand. Doch jetzt im Gesamtkontext scheint das am Ende doch zu passen. Oder man hat sich an die Reihenfolge einfach gewöhnt.
Interessant ist auch, dass ich die Lieder des ersten Halbjahres mittlerweile sehr gut kenne. Im Sommer gab es dann die Tour, auf der sämtliche Stücke gespielt wurden, also auch die, die man noch gar nicht kannte und die erst später im Jahr veröffentlicht wurden. In die neuen Stücke, die nach dem Konzert veröffentlicht wurden, hörte ich allerdings dann nur noch sehr sporadisch rein. Das mag nun der Grund sein, dass mir die zweite Hälfte des Albums noch nicht so zusagt. Gerade die letzten vier Songs sind am Ende doch etwas ruhig, eine weitere, etwas schnellere Nummer täte da dem Ganzen doch gut.
Musikalisch würde ich I/O als Weiterentwicklung von UP, dem letzten regulären Studioalbum mit eigenem Material aus dem Jahr 2002 betrachten. Es gibt wieder zahlreiche Spielereien mit ungewöhnlichen Sounds und hier und da den Eindruck, dass Gabriel zu viel in die Songs hineinpackt. Verstärkt kommen aber auch klassische Instrumente zum Einsatz. Zwischendurch, was auch schon wieder weit über 10 Jahre her ist, war Gabriel bekanntlich mit Orchester unterwegs und hat zum einen auf diese Art ein Coveralbum aufgenommen als auch seine Songs im orchestralen Gewand eingespielt. Von daher ist der Sound auf I/O die konsequente Fortsetzung seiner Tätigkeiten in diesem Jahrhundert.
Insgesamt ist Peter Gabriel ein überdurchschnittlich gutes Album gelungen. Es gibt einige sehr starke Stücke, die man sofort im Ohr hat. Aber es gibt auch einige Stücke, die mir nicht so gefallen. Mit Panopticom kann ich nicht viel anfangen. Dies ist das erste Stück, was im Januar veröffentlicht wurde, welches meiner Euphorie, dass es neue Musik von Peter Gabriel gibt, einen gehörigen Dämpfer verpasste. Auch Olive Tree und And Still sind nicht so meins, zumindest noch nicht. Letzteres ist mir einfach 3 Minuten zu lang. Olive Tree hat diese Beschwingtheit vieler Up-Tempo-Stücke von Phil Collins, die mir schon bei ihm oft auf den Zeiger gingen.
Auf seinem Coveralbum SCRATCH MY BACK hat Peter Gabriel seinerzeit ein Stück von Paul Simon eingespielt. Ob gewollt oder ungewollt hat auch I/O zwei, wenn nicht gar drei Reminiszenzen an ihn. Die Melodie des Refrains von Panopticom erinnert ein wenig an die Melodie des Refrains von The Boxer. Im letzten Stück Live And Let Live gibt es dann Gitarren, die in ihrem afrikanisch geprägten Spiel an Simons Graceland-Album erinnern. Und auch die Bläsereinsätze bei Olive Tree kann man durchaus mit denen im Graceland-Hit You Can Call Me Al vergleichen.
Übrigens hat Peter Gabriel zuletzt verraten, dass er mehr als ein Album im Ofen hat und es angeblich in einigen Monaten weitergehen soll mit der Veröffentlichung von neuen Stücken. Ich glaube es aber erst, wenn ich‘s höre.
Wertung: 82 %
Besetzung:
Peter Gabriel – lead vocals, backing vocals, keyboards, piano, synths, programming, percussion, manipulated charango, glass harp
David Rhodes – guitars, backing vocals
Tony Levin – basses
Manu Katché – drums
Ged Lynch – percussion
Tom Cawley – piano
Evan Smith – saxophone
Josh Shpak – trumpet
Melanie Gabriel – backing vocals
Ríoghnach Connolly – backing vocals
Jennie Abrahamson – backing vocals
Linnea Olsson – cello, backing vocals
Angie Pollock – synths
Brian Eno – synths, bells, percussion, rhythm programming and progressing, electric worms and additional synths, manipulated guitar and ukulele,
Oli Jacobs – synths, programming, piano, tambourine
Don-E – bass synth
Katie May – acoustic guitar, Rickenbacker guitar, guitar effects, percussion, rhythm programming
Richard Evans – D whistle, mandolin
Richard Chappell – programming
Richard Russell – filtered percussion
Hans-Martin Buff – additional percussion, synths, guitars and effects
Ron Aslan – additional synths
Oli Middleton – percussion
Paolo Fresu – trumpet
Steve Gadd – brush loop
The Soweto Gospel Choir – Choir
Orphei Drängar – Choir
The New Blood Orchestra
Normalerweise höre ich ein Album, das ich rezensiere, über zwei Anlagen. Einmal über mein Dolby Atmos Set-up und einmal über meine alte 5.1-Anlage in einem kleineren Zimmer. Das habe ich bei I/O jedoch bleiben lassen und zwar aus einem bestimmten Grund, auf den ich weiter unten eingehen werde. Diese Rezension wird sich also nur mit dem Dolby Atmos Mix befassen und nicht mit dem Downmix auf 5.1, den man zuhören bekommt, wenn man kein Dolby Atmos Equipment in der Wohnung hat.
Über die ersten sechs Stücke hatte ich bereits im Sommer ausführliches geschrieben. Dort habe ich bereits angemerkt, dass Hans-Martin Buffs Dolby Atmos Mix dieses Medium komplett ausreizt. Es scheint so, als hätte Peter Gabriel die Stücke deshalb so reichhaltig arrangiert, um zu zeigen, was man alles in Dolby Atmos machen kann. Das betrifft natürlich auch die Songs, auf die ich im Sommer noch nicht näher eingegangen bin, da sie da noch nicht veröffentlicht waren.
Insgesamt ist das Album sehr diskret abgemischt. Alle Lautsprecher haben ordentlich zu tun, ganz gleich, wo sie im Zimmer angesiedelt sind. Somit kommen auch reichlich Geräusche von oben auf einen herabgeprasselt, sei es der finale Wasserplatscher bei Road To Joy, die Streicher bei So Much, die Bläser bei Olive Tree, weiblicher Hintergrundgesang bei Love Can Heal oder perkussive Elemente bei This Is Home.
Zudem schweben Sounds auch durch den Raum, was manchmal stärker wahrgenommen wird und an anderen Stellen erst beim dritten oder vierten Mal bemerkt wird. Es ist faszinierend: Es passiert so viel um einen herum, dass man I/O bei jedem Hördurchgang neu kennenlernt und anders wahrnimmt. Meine sommerlichen Anmerkungen zu den ersten Stücken würde ich heute anders beschreiben. Daher vermeide ich es auch, detailliert zu erklären, was man wo und wie hört, denn beim nächsten Mal hat man das Gefühl, dass das doch irgendwie nicht ganz korrekt ist. Mit dem Dolby Atmos Mix ist Hans-Martin Buff eine Art akustisches Wimmelbild gelungen. Jedes Mal wird eine leicht andere Geschichte erzählt, weil der Fokus auf andere Details fällt. Gerade im Stück Love Can Heal, das ein Kind von San Jacinto und Mercy Street sein könnte, ist dies herausragend zu hören. Es ist unmöglich, dies in einigen Sätzen zu beschreiben, man muss es schlichtweg hören!
Interessant an dem In-Side-Mix ist, dass es hier im Vergleich zu den Bright-Side- und Dark-Side-Mixen zusätzliche Elemente gibt, die die beiden anderen Mixe nicht haben. In den Credits wird Buff bei fast jedem Song vermerkt, mal spielt er Percussions, dann Keyboards, Effekte und Gitarren. Dies aber jeweils nur auf den In-Side-Mixen. Das ist ungewöhnlich. Hier würde mich die Kommunikation und Arbeitsweise mit Peter Gabriel interessieren. Haben sich beide die Atmos Mixe angehört und entschieden, dass der eine oder andere Song zum Beispiel oben links noch eine Synthie-Figur vertragen könnte? Ich glaube, es war Peter Gabriel, der vor einigen Monaten davon sprach, dass Dolby Atmos Musiker beim Komponieren und Arrangieren von Musik beeinflussen wird und dass es eine neue Herangehensweise sein wird, Musik zu kreieren. Wenn man das hört, hofft man doch, dass es nach I/O noch weitere Alben von Peter Gabriel geben wird, die in Dolby Atmos abgemischt werden.
Insgesamt ist I/O nichts anderes als ein Referenzmix, was Musik in Dolby Atmos angeht, an dem sich viele andere Mischer orientieren sollten. Ich schrieb ja bereits in meinem Bericht zum Atmos-Streaming, das zwar aktuell sehr viele Alben in Dolby Atmos abgemischt werden, die meisten davon aber sehr ernüchternd und langweilig klingen.
Eine Frage bleibt: Wie klingt I/O auf herkömmlichem Surround-Equipment? Ich würde darauf gerne eine Antwort liefern, will dies aber anhand meiner Zweitanlage nicht beantworten, denn dann müsste ich ordentlich Minuspunkte verteilen. Denn der 5.1-Mix klingt bei mir fürchterlich und das aus einem bestimmten Grund: Normalerweise wird, sofern der Verstärker das kann, das Dolby Atmos Signal als Dolby True HD ausgegeben. Nicht so bei I/O. Auf meiner Zweitanlage wird das Album nur im verlustbehafteten Dolby Digital abgespielt und so klingt er am Ende dann auch. Es ist mir ein Rätsel, warum das der Fall ist, alle anderen Blu-rays mit Dolby Atmos werden hier korrekt in True HD abgespielt. Nur I/O nicht!
Ich weiß es nicht, ob hier ein Authoring Fehler vorliegt oder diese Atmos-Tonspur eine Spezifikation hat, die mein zugegebenermaßen in die Jahre gekommener Verstärker nicht versteht. Ich gehe davon aus, dass es am Verstärker liegt. Von daher würde es mich interessieren, wie das bei euch der Fall ist. Ich könnte dies zwar auch auf meiner Hauptanlage testen und dort Dolby Atmos deaktivieren, was aber zu viel Arbeit ist. Man müsste davor und danach wieder alles neu einmessen, daher lasse ich es einfach bleiben. Was mir aber dieser Umstand zeigt, ist, dass es durchaus nicht verkehrt sein kann, wenn eine Blu-ray auch einen echten 5.1 Mix enthält, was hier nicht der Fall ist.
Wertung: 100 %
Vorhandene Tonformate:
Dolby Atmos
LPCM Stereo (Bright-Side- und Dark-Side-Mixe)
Es genügt ein Drücken auf Enter, dann erklingt I/O in Dolby Atmos.
Kein Bonus.
Anspieltipp:
Love Can Heal, The Court
Dafür wurde Dolby Atmos erfunden.
Pros / Cons:
+ ein echter Referenzmix in Dolby Atmos
+ High Resolution (+ 1%)
+ Album lässt sich ohne TV-Hilfsmittel starten
– Kein eigenständiger hochauflösender 5.1-Mix enthalten, daher im schlimmsten Fall Downmix in Dolby Digital
GESAMTWERTUNG: 96 %
Erläuterungen zur Bewertung
2 CDs + Blu-ray: Diese Ausgabe erkennt man an der grünen Banderole (siehe Foto oben). Preis knapp über 20 Euro.
Deluxe Box: Ab März erhältlich, wird die Deluxe-Box zudem noch 4 LPs beinhalten und ein Hardcover-Buch. Der Preis liegt bei 150 Euro.
Streaming: Den Dolby Atmos Mix gibt es auch im Streaming bei Apple Music, Amazon Unlimited und Tidal zu hören.
Stand: 15.12.2023
Links:
Hallo Robert
Toller Test, gerade gelesen und muss sagen deckt sich mit meinem Hörerlebnis, habe die Scheibe schon seit 2 Wochen. Ich höre allerdings nur 5.1 (für 7.1 zu wenig Platz) auf einem 13 Jahre alten Pioneer-Verstärker ohne Atmos. Anders als bei Dir wird jedoch korrekt True HD ausgegeben und der Downmix klingt für mich phantastisch auf Referenzniveau! Liegt wohl tatsächlich an Deinem Verstärker…
mfG Tom
Hallo Tom,
danke für den Hinweis, also so wie vermutet. Dabei ist dein Verstärker sogar noch etwas älter. Es kann also eigentlich nicht am Alter liegen. Ich bin alle Einstellungen durchgegangen, habe das HDMI Kabel gewechselt etc. Erst dann habe ich mich gefragt, was eigentlich mit den anderen Blu-rays ist und habe mich quer durch meine Sammlung getestet. Und die wurden alle richtigerweise mit TrueHD ausgespielt. Sehr merkwürdig alles.
ich habe sie alle drei gehört und finde natürlich das 5.1 räumlich perfekt , ich habe ein Marantz und kein platz für Atmos Lautsprecher denke da wird es noch runder . Traumhaftes Album