Tangerine Dream – In Search of Hades


Erscheinungsjahr 2019 | Blu-ray Disc | Electronic

In dem Einkaufszettel Eintrag vor ein paar Wochen hatte ich ja das Boxset IN SEARCH OF HADES bereits angekündigt. Bei solch einem opulentem Werk lohnt sich die genauere Betrachtung der gesamten Box, bevor ich dann später im Jahr auf die einzelnen Surround Mixe eingehe.

Tangerine Dream sind eine dieser Bands, die aus Deutschland kommen, jedoch außerhalb der Grenzen einen größeren Bekanntheitsgrad haben, als im eigenen Lande. Gegründet wurde die Band 1967 von Edgar Froese. In den Anfangstagen war der musikalische Stil der Band noch mehr dem Hardrock, Psychedelic Rock und dem Freejazz zugeordnet worden. Dies änderte sich aber bald und Tangerine Dream fügten ihrer instrumentalen Musik elektronische Effekte hinzu und irgendwann kam schließlich der Einsatz von Synthesizern. Herkömmliche Instrumente einer Rockband wie Gitarre, Bass und Schlagzeug wurden immer seltener verwendet, bis sie fast gänzlich aus dem Klangbild der Band verschwanden.

Tangerine Dream gelten als Pioniere der elektronischen Musik, und das obwohl schon vor ihnen Musiker reine Synthesizer-Alben aufnahmen, z.b. ein gewisser George Harrison Ende der 60er. Doch erst Tangerine Dream und mit ihnen andere Musiker wie Kraftwerk, Vangelis oder Jean-Michel Jarre machten synthetische Klänge salonfähig. Ab Mitte der 70er hatte die Band um Edgar Froese einen eigenen Still gefunden, der aus intensiven Einsatz von rhythmisch-hypnotischen Sequenzerpattern bestand, die von Melodien mit ungewöhnlichen Harmonien umspielt wurden. Es klang wie aus einer anderen Welt.

Die ersten vier Alben brachte die Band für das deutsche Label Ohr heraus. Das vierte mit dem Titel Atem wurde vom englischen Radio DJ John Peel als Album des Jahres betitelt, wodurch ein größeres Interesse vor allem im vereinten Königreich aufkam. Dies machte Richard Branson, der gerade Virgin Records gegründet hatte auf die Band aufmerksam. Es begann die erfolgreichste Phase von Tangerine Dream. Die resultierende Musik wird nun mit dem Boxset IN SEARCH OF HADES wiederentdeckt.

Für Virgin brachte die Band zwischen 1974 und 1983 insgesamt 13 Alben heraus. Die ersten sieben sind in dieser neuen Box enthalten. PHAEDRA, die erste LP, die Tangerine Dream bei Virgin herausbrachte, ist ihr erfolgreichstes Album geworden. Es kam in England bis auf Platz 15 der Albumcharts, ohne dass es im Radio gespielt wurde, denn dafür war die Musik zu ungeeignet.


Box beinhaltet folgende Alben in 5.1:

Phaedra (1974)
Ricochet (1975)
Oedipus Tyrannus (1974 / 2019)


Das Boxset IN SEARCH OF HADES besteht aus einem dicken Hardcoverbuch, insgesamt 16 CDs und zwei Blurays. Enthalten sind die sieben Alben, die bis 1979 veröffentlicht wurden, sowie Unmengen an Studio-Outtakes, darunter einem Doppelalbum, welches damals nicht veröffentlicht wurde und einigen Konzertmitschnitten.

Auf dem Cover des 70-seitigen Buches: Chris Franke, Edgar Froese, Peter Baumann

Eigentlich hätten es weitaus mehr CDs werden müssen. Man muss wissen, dass Tangerine Dream auf ihren Konzerten in den 70ern nahezu vollständig improvisierten. Vor Beginn legten sie lediglich fest, in welcher Tonart sie beginnen wollten, der Rest ergab sich in den nächsten ein bis zwei Stunden von selbst. Das heißt, auf jedem Konzert wurde völlig neue Musik kreiert. Da ist es fast schon etwas enttäuschend, dass in dem Boxset lediglich drei Konzerte enthalten sind.

Es gibt einige Bootleg Aufnahmen aus der Zeit. Unter dem Namen Tangerine Tree sind Anfang der 2000er fast 100 von Fans herausgebrachte Alben im Umlauf gewesen, die das Live-Schaffen der Band über die Jahre dokumentieren. Manche dieser Alben zeigen die Band müde und uninspiriert beim Improvisieren, die meisten lassen jedoch erahnen, wie einzigartig ein Konzertbesuch von Tangerine Dream vor allem in den 70ern sein musste. In der Tangerine Tree Reihe ist nur eines der in dieser Box befindlichen Konzerte veröffentlicht worden, und zwar das Konzert in der Royal Albert Hall vom 2.April 1975.

Die ersten acht CDs – behandeln alle gerade mal das Jahr 1974

Von den Sessions zum Album PHAEDRA gibt es auf zwei CDs Outtakes. Aber was heißt hier schon Outtakes? Im Grunde sind dies eigenständige Stücke, hier und da erinnert eine Klangfarbe oder eine Melodie an das Album, aber das war es dann auch schon. Wer also schon die Virgin-Alben der Zeit besitzt, findet in dieser Box immerhin neun weitere CDs mit neuer alter Musik von Tangerine Dream. Was nicht aus der Zeit enthalten ist, ist der Soundtrack zu William Friedkins Film Sorcerer (deutscher Titel: Atemlos vor Angst), da dieser nicht bei Virgin veröffentlicht wurde. Insgeheim hoffte ich auch noch auf die Originalaufnahmen des Green Desert Albums. Dieses wurde vor PHAEDRA aufgenommen und erst Mitte der 80er stark bearbeitet veröffentlicht.

Die beiden Blu-rays in separaten Papierhüllen

Auf den beiden Blu-rays befinden sich zwei Fernsehbeiträge: Ein englischer Konzertmitschnitt, der von der BBC produziert wurde und eine deutsche Dokumentation des NDR, die mir beide durchaus restauriert im Bild vorkommen. Außerdem gibt es drei Alben im Surround Sound, deren Mix von Steven Wilson erstellt wurde. Das wären die Alben PHAEDRA, RICOCHET und das bereits oben erwähnte zuvor nicht veröffentlichte Doppelalbum mit dem Namen OEDIPUS TYRANNUS.

Warum nur drei Alben in Surround und nicht alle? Weil nur von diesen Alben die Masterbänder gefunden wurden. Es war geplant, alles in Surround abzumischen, sagte Wilson in einem Interview. Auf die Surround Mixe werde ich in den nächsten Wochen und Monaten genauer eingehen, aber soviel sei schon mal verraten, es ist ein Jammer, das die nicht alle gefunden wurden. Zu hoffen bleibt, dass dies nicht das letzte Box-Set war, denn immerhin haben Tangerine Dream zwischen 1980 und 1983 sechs weitere Alben veröffentlicht, die eigentlich alle in Surround Sound gehört werden sollten.

Links unten im Bild der VCS3 Synthesizer von EMS. Musik aus dem Koffer.

P.S.: Tangerine Dream gibt es übrigens heute immer noch. Von der Besetzung aus den 70ern ist niemand mehr dabei. Der Kopf der Band, Edgar Froese verstarb überraschend im Jahr 2015, seitdem treten die verbliebenen Mitglieder, die erst spät zur Band hinzugestoßen sind, als Tangerine Dream auf. Seit einiger Zeit ist die Improvisation auf Konzerten wieder fester Bestandteil. Als Zugabe spielt die Band immer ein freies Stück, welches um die 30 Minuten lang wird. Einige dieser Zugaben sind bereits unter dem Titel The Sessions veröffentlicht worden.


Links:

Offizielle Seite von Tangerine Dream

Voices in the Net

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