
Dolby Atmos Streaming mit Tidal – Ein Erfahrungsbericht
Technik: Dolby Atmos Streaming mit Tidal
Nachdem ich in den letzten beiden Jahren das Streaming immersiver Musik mit Apple Music und Amazon Music getestet hatte, wollte ich auch den dritten Anbieter ausprobieren. Auch Tidal bietet seit einiger Zeit Musiktitel in Dolby Atmos an. Wie auch bei Amazon gab es bei Tidal zudem Titel im Sony-Format 360 Reality Audio (360RA), einem Konkurrenzformat zu Dolby Atmos. Im Sommer letzten Jahres nahm Tidal jedoch alle 360RA-Titel aus dem Programm, um immersive Musik ausschließlich in Dolby Atmos anzubieten. Unter diesen 360RA-Titeln befanden sich einige interessante Alben, die beispielsweise bei Apple nicht verfügbar waren, darunter einige späte Alben von David Bowie.
Da Tidal einer der ersten Streaming-Anbieter war, der Musik in hochauflösender Qualität anbot, genießt es unter audiophilen Musikfreunden einen guten Ruf. Im Vergleich zu anderen Diensten war Tidal jedoch teurer – bis zu 20 Euro im Monat wurden für hochauflösendes Streaming fällig. Mittlerweile hat der Anbieter die Preise der Konkurrenz angeglichen: Ein Abonnement kostet nun 10,90 Euro pro Monat, ebenso wie bei Apple und Amazon. Den ersten Monat kann man kostenlos testen. Als ich dies im Januar tat, erhielt ich sogar das Angebot, den kostenlosen Testmonat für nur zwei Euro um einen weiteren Monat zu verlängern.
Voraussetzungen für Dolby Atmos-Streaming mit Tidal
Im Vergleich zu Apple und Amazon hat es Tidal in puncto Hardware schwieriger. Apple bietet Apple TV an, über das Apple Music in Dolby Atmos abgespielt werden kann, während Amazon dies über Fire-TV-Geräte ermöglicht. Und Tidal? Hier kam die erste große Ernüchterung: Eine Tidal-App für Fire TV existiert nicht! Sie war wohl einmal verfügbar, wurde aber wieder aus dem App-Store entfernt. Somit ist es nicht möglich, Tidal über einen Fire TV Stick zu nutzen.
Wer ein Apple TV besitzt, kann sich immerhin freuen – hierfür gibt es eine Tidal-App. Ansonsten sieht es jedoch mau aus. Ich versuchte, Tidal über HEOS auf meinem Denon-Receiver zu nutzen, erhielt aber lediglich eine Stereo-Ausgabe. Angeblich soll das Streaming über einige Fernseher mit Android TV funktionieren, doch stellt sich die Frage, warum man den Fernseher laufen lassen sollte, wenn man eigentlich nur Musik hören möchte. Auch der Support konnte mir hierzu keine befriedigende Antwort geben. Es scheint derzeit nur mit Apple TV einigermaßen zuverlässig zu funktionieren. Nur: Warum sollte man dann Tidal buchen, wenn man fürs gleiche Geld auch Apple Music buchen kann, welches (und da kann ich schon mal vorgreifen) in der Apple-Welt um einiges benutzerfreundlicher funktioniert?
Die Suche nach Dolby Atmos-Titeln

In der Tidal Suche befindet sich der Link zur Rubrik „Dolby Atmos“
Wie Apple und Amazon bietet auch Tidal eine eigene Stöber-Kategorie für Dolby Atmos an. Zu finden ist diese in den Apps für Smartphones und Tablets. Hier werden Alben in Dolby Atmos sowie kuratierte Playlists angezeigt. Allerdings wird diese Übersicht deutlich seltener aktualisiert als bei der Konkurrenz. Während Apple beispielsweise alle neu veröffentlichten Björk-Alben in Dolby Atmos sofort in der „3D-Audio“-Kategorie anzeigte, waren sie bei Tidal selbst zwei Monate nach Veröffentlichung nicht in der Dolby-Atmos-Sektion gelistet – obwohl sie bereits verfügbar waren. Stattdessen sehe ich da zum großen Teil noch dieselben Alben wie zu Beginn meines Tests, darunter sogar Weihnachtsalben – im März!

Atmos-Alben werden mit dem Dolby Logo gekennzeichnet
Zwar lassen sich Atmos-Alben auch über die Suchmaske finden, aber das ist alles andere als intuitiv. Die Alben werden mit einem kleinen Dolby-Logo neben dem Titel gekennzeichnet, was immerhin besser gelöst ist als bei Apple, wo der Atmos-Hinweis erst auf der Album-Detailseite erscheint. Das eigentliche Problem liegt jedoch in der generellen Systematik der Suche:
- Man benötigt ein Dolby-Atmos-fähiges Gerät (Smartphone oder Tablet), um das Dolby-Logo überhaupt angezeigt zu bekommen. Wer auf dem PC oder Laptop stöbern möchte, sieht keine Hinweise auf Dolby Atmos.
- Bei der Künstlersuche tauchen Atmos-Alben in den Suchergebnissen nicht auf.
- Auch in der Diskografie eines Künstlers werden keine Atmos-Versionen angezeigt. Erst wenn man auf ein beliebiges Album eines Interpreten klickt und dann zur Sektion „Weitere Alben des Interpreten“ scrollt, erscheinen möglicherweise Atmos-Alben. Und sogar dann werden manchmal Alben vergessen, weil sie schlichtweg nicht nachgeladen werden.

Beispiel Max Richter: Auf seiner Alben-Seite werden keine Atmos-Alben angezeigt

Atmos-Alben werden erst dann angezeigt, wenn man unter einem anderen Richter-Album auf weitere Alben klickt.
Mein Versuch, dies mit dem Tidal-Support zu klären, war frustrierend. Auf meine Hinweise zur schlechten Nutzerführung erhielt ich die Antwort, dass dies die „normale Art und Weise“ sei, Atmos-Alben bei Tidal zu finden. Die Einsicht, dass dies völlig unsinnig ist, fehlte dort völlig. Nach mehreren ergebnislosen Rückfragen gab ich auf.
Die Tidal-App für Apple TV
Spätestens bei der Nutzung der Tidal-App für Apple TV wird deutlich, dass die Betreiber kein durchdachtes Konzept für Dolby Atmos haben. Die App besteht im Wesentlichen aus drei Bereichen:
- Eine „Home“-Seite mit vorgeschlagenen Playlists und Videos. Hier gibt es auch eine kleine Kategorie mit dem Titel „Verfügbar in Dolby Atmos“ mit gerade einmal 50 Alben, die offenbar auch nur selten aktualisiert werden. Die größer angelegte Kategorie „Dolby Atmos“, wie es sie in der Smartphone App gibt und deutlich mehr Titel vorstellt, gibt es hier nicht.
- Die Kategorien „Meine Musik“ (Merkliste) und
- eine Suchfunktion
Benutzt man hier die Suchfunktion, wird der gesamte Bestand durchsucht, es werden daher in erster Linie Stereo-Alben gefunden. Es wird nicht angezeigt, ob etwas auch in Dolby Atmos vorliegt. Erst auf der Detailseite einzelner Alben erscheint das Dolby-Logo, und das auch nur bei wenigen Titeln. Die umständliche „Weitere Alben“-Funktion, die es in der Smartphone-App gibt, funktioniert hier nicht, weil es in der Apple TV App auf der Detailseite eines Albums keine „weitere Alben von“-Kategorie gibt.
Die einzige Möglichkeit, Atmos-Alben über die App zu hören, ist, sie vorher in der Merkliste zu speichern. Doch auch dies ist umständlich: Es gibt nur eine Merkliste für Alben, keine für Interpreten. Man muss sich also durch unzählige gemerkte Alben wälzen, um was bestimmtes zu hören. Die Sprachsuche über Siri funktioniert zwar, durchsucht jedoch die globale Tidal-Datenbank statt die Merkliste – mit der Folge, dass häufig nur die Stereo-Version abgespielt wird.
Im Gegensatz dazu bietet Apple Music die Möglichkeit, die Wiedergabe über ein iPhone oder iPad per AirPlay zu steuern – auch ohne eingeschalteten Fernseher. Die Tidal-App hingegen zwingt einen dazu, den Fernseher eingeschaltet zu lassen, da eine Fernsteuerung über iOS-Geräte nicht zuverlässig funktioniert. Versucht man, Atmos-Alben von der Tidal Mobile-App per AirPlay zu übertragen, wird die Wiedergabe auf Stereo heruntergerechnet – vermutlich eine bewusste Einschränkung von Apple.
Funktioniert Tidal auch auf herkömmlichen 5.1-Anlagen?
Auf meiner Zweitanlage mit einem reinen 5.1-Setup konnte ich Tidal über Apple TV ebenfalls in 5.1 hören. Offenbar gibt es hier keinen erzwungenen Downmix auf Stereo, wie es bei Amazon Music der Fall ist. Allerdings bleibt unklar, ob das daran liegt, dass mein alter Yamaha-Receiver Atmos-fähig ist. Möglicherweise prüft Tidal nur die Atmos-Fähigkeit des Receivers und nicht das tatsächliche Lautsprecher-Setup. Es ist daher ungewiss, ob Tidal auf einem reinen 5.1-System ebenfalls funktioniert oder auf Stereo heruntermischt.
Angebot an Atmos-Titeln
Im Vergleich zu Apple Music fehlen bei Tidal einige Titel. Schätzungsweise fehlen etwa 30 %, was vor allem daran liegt, dass viele Titel zuvor in 360RA verfügbar waren und seit der Umstellung auf Dolby Atmos nicht nachgereicht wurden. Zusätzlich erschwert die umständliche Suchfunktion das Auffinden einiger Atmos-Titel.
Es gibt zudem Titel, die offenbar willkürlich nicht in Atmos verfügbar sind. Von Sigur Rós gibt es die Alben „Atta“ und „()“, doch „Valtari“ fehlt. Von Rage Against The Machine sind zwei Alben verfügbar, aber das Debütalbum nicht. In manchen Fällen könnte dies mit Geoblocking zusammenhängen. Ein besonders auffälliges Beispiel ist Zucchero: Viele seiner Alben sind in Dolby Atmos verfügbar, aber mindestens drei sind nur in den USA abrufbar – obwohl er dort deutlich weniger bekannt ist als in Europa. Ich konnte entsprechende Tidal-Links finden, die auf eine regionale Beschränkung hinweisen.
Fazit
Mein Fazit fällt ernüchternd aus: Tidal macht es unnötig kompliziert, Musik in Dolby Atmos über eine Heimkino-Anlage zu genießen. Die Tidal-App für Apple TV ist umständlich zu bedienen, und die Suchfunktion für Atmos-Titel ist schlecht umgesetzt. Zudem zeigt sich der Support uneinsichtig gegenüber offensichtlichen Problemen. Wer auf der Suche nach einem reibungslosen Atmos-Streaming-Erlebnis ist, wird hier enttäuscht. Die technischen Einschränkungen, die fragmentierte Verfügbarkeit von Titeln und die mangelnde Benutzerfreundlichkeit lassen Tidal in diesem Bereich deutlich hinter den Erwartungen zurückbleiben.
Mein Erfahrungsbericht zu Amazon Music
Mein Erfahrungsbericht zu Apple Music
Vielleicht noch als kleiner Hinweis:
Auf meinem Onkyo RZ70 ist seit einigen Monaten möglich, Tidal mit Dolby Atmos zu nutzen. Also über einem Onkyo Receiver der neusten Generation RZ30, RZ50 und RZ70 ist es möglich Tidal und Dolby Atmos zu hören.