Steve Hackett – The Night Siren
Erscheinungsjahr 2017 | Blu-ray | Progressive Rock
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Steve Hackett ist auf seine alten Tage ein richtiger Workaholic geworden. Trotz seiner mittlerweile fast 5 Jahre andauernden (gefühlten) Dauertour, schafft es der ehemalige Genesis-Gitarrenvirtuose während der Tourpausen in seinem Wohnzimmer ein neues Album aufzunehmen und mit seiner Frau durch die Welt zu reisen, um für neue Musikstücke Inspiration zu finden. Gerade mal zwei Jahre ist es her, dass sein letztes Album WOLFLIGHT gefeiert wurde, schon kommt er mit dem Nachfolger THE NIGHT SIREN im Schlepptau.
THE NIGHT SIREN macht da weiter, wo WOLFLIGHT aufgehört hat. Man bekommt den typischen Hackettsound geliefert, bestehend aus Gitarrenkaskaden, die mal romantisch, mal halsbrecherisch daher kommen, dem seit dem letzten Album etablierten bombastischen Streicher- und Orchestersound und vielen Instrumenten, die irgendwo auf der Welt beheimatet sind, außer in der populären. Neben irischen Dudelsäcken und indischen Sitarklängen, kann man hier auch einem Didgeridoo, einer so genannten Tar und diversen orientalischen Flöteninstrumenten lauschen.
Den Surroundmix hat wieder mal Roger King erstellt, der Steve Hacketts Produzent und Tastenmann ist. Erschienen ist es in Form eines Mediabooks mit CD, Blu-ray und dickem Booklet.
Tracklist:
1 Behind the Smoke – 6:57
2 Martian Sea – 4:40
3 Fifty Miles from the North Pole – 7:08
4 El Niño – 3:51
5 Other Side of the Wall – 4:00
6 Anything but Love – 5:56
7 Inca Terra – 5:53
8 In Another Life – 6:07
9 In the Skeleton Gallery – 5:09
10 West to East – 5:14
11 The Gift – 2:45
Gesamtdauer: 57:40
Ich muss gestehen, als ich THE NIGHT SIREN das erste Mal hörte, war ich wenig angetan. Irgendwie war ich schnell ermüdet und fand keine wirkliche Weiterentwicklung zu WOLFLIGHT. Die Art, wie Steve Musik macht kann auch für den Hörer ziemlich anstrengend sein. In jedem Lied ändert sich nach Pi mal Daumen maximal 2 Minuten die Musik, die Stimmung, kurz das gesamte musikalische Grundgerüst vollständig, und man weiß nie, was als nächstes kommt. Hackett packt in ein einziges Album so viele Ideen rein, wie manche Bands in ihrer gesamten Karriere. Kurz, ich empfand THE NIGHT SIREN zunächst als ziemliches Durcheinander. Aber nach fünf Durchläufen hatte mich das Album. Plötzlich klang alles wie aus einem Guss. Ich würde zwar nicht so weit gehen, zu sagen, es wäre wie ein Nachfolger von WIND & WUTHERING (das letzte Genesis Album, an dem Hackett 1976 noch beteiligt war), was ich schon öfter gelesen habe, aber es ist vielleicht sein bestes Album seit dem 1999 erschienen DARKTOWN. Der eintretende Erfolg, was Chartpositionen angeht, scheint auch in unbekannte Bereiche einzudringen. Das Album platzierte sich in Deutschland immerhin auf Platz 22 und damit deutlich besser als das neue Werk von Mike & the Mechanics, dem Soloprojekt von Genesis-Bassist Mike Rutherford, welches in den 80ern und 90ern viele Erfolge feiern konnte, und fast zeitgleich erschien.
Wertung: 93 %
Besetzung:
Steve Hackett – electric and acoustic guitars, oud, charango, sitar, harmonica, vocals
Roger King – keyboards, programming
Rob Townsend – baritone saxophone, soprano saxophone, flute, flageolet, quena, duduk, bass clarinet
Gary O’Toole – drums
Gunnlaugur Briem – drums, cajon, percussion
Dick Driver – double bass
Christine Townsend – violin, viola
Amanda Lehmann – vocals
Kobi Farhi – vocals
Mīrā ‘Awaḍ – vocals
Nad Sylvan – vocals
Jo Hackett – vocals
Nick D’Virgilio – drums
Malik Mansurov – tar
Troy Donockley – uilleann pipes
John Hackett – flute
Ferenc Kovács – trumpet
Sara Kovács – didgeridoo
Benedict Fenner – keyboards, programming
Leslie-Miriam Bennett – keyboards
Zunächst die guten Nachrichten: Der Mix von THE NIGHT SIREN klingt im Vergleich zu WOLFLIGHT, welches damals auch in 5.1 erschienen ist, deutlich räumlicher. Es findet mitunter ziemlich viel Spektakel in den hinteren Kanälen statt, was bei WOLFLIGHT nicht der Fall ist, dessen Surroundmix einen zum Teil zweifeln lässt, ob die hinteren Lautsprecher überhaupt angeschlossen sind.
Die weniger guten Nachrichten: Soundtechnisch bleibt es auf THE NIGHT SIREN stark verbesserungswürdig, der Mix klingt ziemlich diffus und unpräzise, da Roger King nicht gerade mit Hall geizt. Vor allem in Räumen, die eh schon eine schwierige Raumakustik haben, machen sich Defizite im Klang bemerkbar. In meinem zweiten, kleinen, vollbepackten Zimmerchen klingt das Album dagegen einigermaßen zufriedenstellend.
Die ersten beiden Songs sind, was den 5.1-Mix angeht, noch relativ unspektakulär. Im Opener Behind The Smoke hört man in den hinteren Kanälen hauptsächlich Streichersound und wenig später die orientalische Laute Tar. Martian Sea ist ein schneller Rocker mit indischen Klängen und poppigen Flair, der sich ebenfalls eher in der vorderen Hälfte des Raumes abspielt. Hier wandert gegen Ende das Gitarrensolo durch den Raum.
Mit Fifty Miles From the North Pole wächst dann der Surroundpegel an. Der Song erinnert mit seinem relaxten, funk-artigen Beginn etwas an Sting aus Brand New Day Tagen. Schön sind hier die gelegentlich wiederkehrenden sirenenartigen Gesangsfetzen von Amanda Lehmann, die über den Raum schweben. Das Lied beinhaltet zudem ein jazziges Trompetensolo, welches in Surround etwas anders abgemischt wurde, als im Stereo. In der Stereofassung gibt es da kurz einen ziemlich lauten „Tröter“, welcher vermutlich die lauteste Stelle des Albums sein dürfte. Im 5.1-Mix ist die Trompete dagegen gleichmäßig eingepegelt, wandert aber hinten von links nach rechts.
El Nino ist das erste von zwei Instrumentalnummern und reinstes Kopfkino. Hier werden durch die Musik genau die Bilder im Kopf projiziert, die der Titel erahnen lässt, aufbrausende Sturmmassen, sintflutartige Regenfälle, schutzsuchende Menschen, das alles spiegelt sich durch den aus allen Richtungen niederprasselnden Surroundmix wider, ohne dass da irgendwelche Samples und Geräusche hineingemischt wurden.
Das eher ruhige folgende Stück Other Side of the Wall ist eines der Highlights im Mix. Nicht, weil es hier aus allen Richtungen erschallt, sondern weil es dieses Mal auch soundtechnisch gut klingt. Das Stück beginnt mit einer romantischen Stimmung, bestehend aus Akustikgitarre und Streichern und bekommt in der zweiten Hälfte eine völlig andere, etwas mystisch verträumte Stimmung. Akustische Gitarren gibt es auch in Anything but Love. Hier bietet Steve Hackett ein längeres Intro im Flamenco Stil und der Hörer hat das Gefühl, als säße er in der spanischen Pampa in Mitten einer Flamenco Darbietung. Im nächsten Song Inca Terra sind es dann vermeintliche peruanische Straßenmusiker, die um einen platziert sind. Zum Glück ist ihnen die Panflöte abhanden gekommen, einen flötenartigen Sound liefert stattdessen leise eine E-Gitarre. Bemerkenswert an diesem Song ist eine Chorgesangstelle, die mit ihrem Düptü-Düptü-Düp-Gesang an Yes erinnert und in 5.1 meiner Meinung nach deutlich schöner klingt. Später erklingen noch Didgeridoo-Sounds im Raum, wobei die Frage gestellt sein darf, was Didgeridoos in Peru verloren haben.
Weiter geht es auf der musikalischen Weltreise nach Schottland. In Another Life beginnt zunächst mit akustischen Gitarren und Gesang aus den vorderen Lautsprechern und Akkordeon aus den Rears. Nach einem epischen wundervollen Gitarrensolo, erklingen Dudelsäcke von vorne, die von hinten mit Synthieflächen unterstützt werden. Klingt richtig stark!
Die letzten drei Songs des Albums lassen die Vermutung aufkommen, dass sich die Ohren mittlerweile an den diffusen Sound gewöhnt haben, lediglich im letzten kurzen instrumentalen Stück The Gift, welches nur aus Synthesizer und singender E-Gitarre besteht, hat man eher das Gefühl, dass es sich um einen Upmix handelt, da hier keine richtige Instrumententrennung erkennbar ist.
Wertung: 77 %
Vorhandene Tonformate:
DTS-HD Master Audio 5.1
LPCM (48 kHz / 24 bit) 5.1
LPCM (48 kHz / 24 bit) Stereo
Vorbildlich: Disc rein, das kurze Intro der Plattenfirma abwarten und Enter drücken, dann erklingt das Album in DTS HD Master. Will man es in LPCM 5.1. drückt man die Audiotaste.
An Bonusmaterial gibt es auf der Blu-ray eine kleine Dokumentation (23 Minuten) zur Albumerstellung. Hier sieht man, wie man im heimischen Wohnzimmer ein Rockalbum aufnehmen kann und wie selbst Schlagzeuger Gary O’Toole von zu Hause aus übers Internet zugeschaltet, seine Parts live einspielen kann. Ist interessant, aber nicht wirklich etwas, dass man sich oft ansehen müsste.
Aufwertung: + 0,5%
Anspieltipp:
In Another Life
Musikalisch braucht das 25. Soloalbum von Steve Hackett einige Anlaufe, kann dann aber voll überzeugen. Soundtechnisch gibt es den typischen von Roger King verpassten Sound, die Verteilung der Instrumente im Raum ist auf diesem Album aber deutlich besser geworden.
Pros / Cons:
+ guter Surroundmix
+ Musikalisch sicherlich ein Highlight in Hacketts Werk
+ hochauflösende Tonformate (+ 1%)
+ Interessantes Making Of
+ problemloser Albumstart
– Der Klang hat die bekannten Defizite einer Roger King Produktion
GESAMTWERTUNG: 83 %
Erläuterungen zur Bewertung
CD / Blu-ray: Gibt es in jedem gut sortierten Handel für 18-20 Euro
Stand: 20.06.2017
Links:
Offizielle Webseite von Steve Hackett