HAEVN – Up Close
Erscheinungsjahr 2025 | Blu-ray Disc | Indie-Pop
Springen zu: Musik | Surroundmix | Albumstart | Bonusmaterial | Fazit | Verfügbarkeit
Bisher habe ich mich in meinen Besprechungen ausschließlich auf Alben in Surround und Dolby Atmos konzentriert. Konzertfilme habe ich hingegen nie behandelt, obwohl sie bereits seit den frühen DVD-Jahren fast immer mit Mehrkanalton veröffentlicht wurden. Der Surroundanteil beschränkt sich bei Livekonzerten in der Regel zumeist auf das Publikum, während die Musik selbst nur selten räumlich erweitert wird. Mit UP CLOSE von HAEVN bietet sich nun ein erster Anlass, einen Konzertfilm in Dolby Atmos genauer zu betrachten. Die Produktion unterscheidet sich deutlich von herkömmlichen Live-Veröffentlichungen.
Die niederländische Band HAEVN entstand durch eine Zusammenarbeit zwischen Sänger Marijn van der Meer und dem Komponisten Jorrit Kleijnen, die zunächst Filmmusik produzierten. Aus dieser Arbeit entstand der charakteristisch cineastische Bandsound, der später durch Gitarrist Bram Doreleijers, Bassist Mart Jeninga und Drummer David Broeders erweitert wurde. Die Band ist für einen warmen, atmosphärischen Klang bekannt, der Elemente aus Indie-Pop, Filmmusik und elektronischen Arrangements verbindet.
Der Konzertfilm UP CLOSE entstand 2021 im Konzertsaal De Vereeniging in Nijmegen. Die Produktion wurde während der Pandemie als Livestream ohne Publikum realisiert und setzte bewusst auf eine intime, reduzierte Darstellung der Musik. Live-Streicher und ein kleiner Gospel-Chor ergänzten die Band und verliehen Songs wie Where the Heart Is, Fortitude oder Back in the Water einen neuen, unmittelbaren Charakter. Warmes Licht und ruhig geführte Kameras unterstrichen den Ansatz, Nähe und Konzentration zu schaffen.
Im November 2025 erschien eine PureAudio Blu-ray, die UP CLOSE erstmals mit einer überarbeiteten Dolby-Atmos-Abmischung zugänglich macht. Den Mix erstellte Harald Gericke, der unter anderem auch für die Atmos-Mixe von Schiller verantwortlich ist.

Tracklist:
1 The Sea
2 Trade It For The Night
3 Where The Heart Is
4 Where Did You Go
5 We Are
6 Fortitude
7 City Lights
8 Holy Ground
9 Throw Me A Line
10 Sinner Love
11 Love Is A Game
12 Bright Lights
13 Kite In A Hurricane
14 Finding Out More
15 Back In The Water
Gesamtdauer: 85:03
Musikalisch ist HAEVN eindeutig dem Genre Indie-Pop zuzuordnen. Dieses Genre scheint aktuell sehr im Trend zu sein, lässt sich musikalisch aber nicht so richtig fassen, da die Unterschiede zwischen den Bands dieses Stils doch recht beträchtlich sein können.
Der Stil von HAEVN ist einerseits dezent. Die Stücke sind größtenteils ruhig und leicht melancholisch. Die Arrangements sind jedoch durchaus ausgefeilt, um gewisse Stimmungen zu erzeugen. Hier macht sich deutlich, dass die Erfahrungen aus dem Schaffen von Filmsoundtracks in die Musik von HAEVN mit einfließen und die Stücke doch recht abwechslungsreich bleiben.
Aufgrund der angesprochenen Melancholie und auch aufgrund des Gesangs von Marijn van der Meer machen sich hier gewisse Ähnlichkeiten zu den späten A-ha bemerkbar.
Wertung: 82 %
Besetzung:
Vocals, Guitar – Marijn van der Meer
Piano, Keyboards – Jorrit Kleijnen
Guitar – Bram Doreleijers
Bass, Keyboards, Synth – Mart Jeninga
Drums, Marimba – David Broeders
Saxophone – Itai Weissman
Cello – Antonis Pratsinakis, Jonas Pap
Viola – Isabella Petersen, Ro Krauss
Violin – Evelien Jaspers, Ian De Jong, Loes Dooren, Pablo Kleinsmann, Vera Van Der Bie
Choir – G-Roots Gospel Choir
Der Konzertfilm setzt auf sanfte Kamerafahrten und ruhige Schwenks, die sich passend zur Musik einfügen. Die Beleuchtung bleibt dezent, wird aber durch Videoscreens ergänzt, die zur friedlich-melancholischen Grundstimmung beitragen. Immer wieder kommen Kamerakräne zum Einsatz, während auf schnelle Schnitte verzichtet wird, die von der Musik ablenken könnten. Es gibt weder Publikum noch Applaus, die Konzerthalle ist bis auf die Musiker und das Filmteam leer. Und dennoch hat man immer das Gefühl einem Konzert beizuwohnen.
Auch dramaturgisch ist das Konzert stimmig aufgebaut. Gerade in Momenten, in denen man den Eindruck bekommt, dass sich die Abläufe etwas ähneln und das gemächliche Tempo überwiegt, folgen Stücke, die mehr Fahrt aufnehmen. Längere Gitarrensoli, unerwartete Einsätze von Saxophon und Marimba sowie Passagen mit südamerikanischem Gitarrenspiel sorgen dafür, dass die Aufmerksamkeit aufrecht gehalten wird.
Die meisten Konzertmitschnitte in Surround sind so abgemischt, dass die Musik überwiegend vorne agiert, während der Raum und die Rears vor allem für Publikumsgeräusche reserviert sind – Jubel, Applaus und die üblichen Reaktionen zwischen den Stücken. Im Grunde ist das die richtige Art, ein Konzert für das heimische Wohnzimmer wiederzugeben, denn es entspricht dem Eindruck vor Ort und wirkt daher authentisch. Im Vergleich zu Studioalben in Surround oder Atmos ist diese räumliche Gestaltung aber oft recht unspektakulär. Das dürfte auch der Grund sein, warum ich persönlich eher selten Konzertaufzeichnungen schaue und lieber echte Konzerte besuche.
Doch wie mischt man ein Konzert ab, das komplett ohne Publikum auskommen muss? Entweder man lässt die Musiker weiterhin frontal agieren – dann reicht Stereo als Tonformat – oder man beginnt, die Instrumente im gesamten Raum zu verteilen. Genau das ist hier geschehen. Aus diesem Grund unterscheidet sich UP CLOSE deutlich von herkömmlichen Konzertfilmen. Zum einen gibt es kein Publikum, zum anderen befindet man sich als Zuschauer zu Hause mitten im Geschehen.
Besonders deutlich wird das beim häufigen Einsatz der Streicher und des Gospelchors, für die in erster Linie die obere Raumhälfte genutzt wird. Je nach Titel stehen mal die Streicher etwas weiter vorne, während der Chor aus den hinteren Bereichen erklingt; in anderen Stücken ist es umgekehrt, dann hört man die Streicher hinter und über dem Kopf.
Klavier, Synthesizer und Gitarren werden flexibel im Raum positioniert – mal vorne, mal hinten. Synthieflächen werden gerne als Klangteppich von oben eingesetzt, während elektronische Elemente wie Sequenzersounds häufig hinter dem Hörplatz auftauchen und dort auch dezente Bewegungen machen.
Schlagzeug und Bass bleiben überwiegend vorne, genauso wie der Leadgesang. Es gibt jedoch immer wieder Momente, in denen Gesangsfetzen oder perkussive Details auch im hinteren Raum auftauchen.

Während des Konzerts stellte sich mir die Frage, warum UP CLOSE trotz der diskreten Verteilung und des fehlenden Publikums nicht wie ein gewöhnliches Studioalbum klingt. Es hat etwas gedauert, bis klar war, woran das liegt: am Gesang! Die Abmischung der Stimme besitzt eine räumliche Qualität, die den entscheidenden Unterschied macht. Die Hallanteile vermitteln ein starkes Raumgefühl. Dadurch entsteht konstant der Eindruck, live in der Location zu stehen, weil der Nachhall der Stimme sich im gesamten Raum – hinten, seitlich und oben – ausbreitet, als wolle man den Raum akustisch exakt abbilden. Ich bin bekanntermaßen kein großer Freund von Hall, aber hier funktioniert das hervorragend. In dieser Form habe ich das noch nie erlebt: so authentisch, so realistisch, dass man sich regelrecht aus dem Wohnzimmer wegbewegt fühlt.
Das macht UP CLOSE zu einer Art Referenzveröffentlichung, mit der man im Bekanntenkreis zeigen kann, wozu Dolby Atmos fähig ist. Viele können heute kaum noch etwas damit anfangen, sich hinzusetzen und sich konzentriert der Musik zu widmen, ohne nebenbei etwas anderes zu tun. Die meisten tun das eigentlich nur, wenn sie Konzertmitschnitte ansehen, und sei es nur an Silvester auf 3Sat. Mit einer Veröffentlichung wie dieser kann man jedoch eindrucksvoll zeigen, dass sich mit immersivem Klang ein echter Live-Klang nachbilden lässt – sogar dann, wenn kein Publikum vor Ort ist.
Wertung: 97 %
Vorhandene Tonformate:
Dolby Atmos
DTS HD Master 5.1
LPCM 2.0
Binaural 2.0
Das Konzert startet in Stereo, wenn man nicht vorher auf Dolby Atmos umstellt. Dafür sind einige Schritte notwendig:
2x DOWN > ENTER > 2x DOWN > ENTER > 2x UP > ENTER

Auch über die Audiotaste kann man während des Konzertes umschalten.
Abwertung: – 1 %
Es gibt im Grunde kein Bonusmaterial. Ein kleines Making-Of mit den beteiligten Musikern wäre schön gewesen. Ich hätte gerne gewusst, wie es sich angefühlt haben muss in einer leeren Halle zu spielen ohne jegliches Feedback. Und auch, ob man im Vorfeld diskutiert hat, ob man irgendwelche Zugaben spielt… Erwähnt werden muss: Enthalten ist eine Tonspur im binauralen Format, sodass man auch mit Kopfhörern das Konzert räumlich wahrnehmen kann. Ich finde, das sollte auf Blu-rays zum Standard werden, denn nicht jeder hat Atmos-Equipment zu Hause rumstehen.
Anspieltipp:
Throw Me A Line, Sinner Love
Tolles Konzert und ebenso tolle Atmos-Abmischung!
Pros / Cons:
+ sehr guter Mix in Dolby Atmos
+ High Resolution (+1 %)
– Muss vorher im Menü auf Dolby Atmos umgestellt werden (-1%)
GESAMTWERTUNG: 94 %
Erläuterungen zur Bewertung
Blu-ray: Die Blu-ray ist frisch am Markt und kostet ca. 40 Euro. Es gibt auch eine DVD-Variante, dann allerdings natürlich ohne Dolby Atmos.
Stand: 13.12.2025
Links:
Offizielle Seite von HAEVN