Gentle Giant – Playing The Fool


Erscheinungsjahr 1977 | Blu-ray | Progressive Rock

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Mit PLAYING THE FOOL veröffentlichten Gentle Giant Anfang 1977 ihr einziges offizielles Live-Album – ein sorgfältig produziertes Doppelalbum, das die Band auf dem Höhepunkt ihres künstlerischen und spieltechnischen Könnens zeigt. Entstanden während der Europa-Tournee zur Promotion des Studioalbums INTERVIEW, fungiert es zugleich als klangliches Resümee der vorausgegangenen sieben Studioalben und fasst zentrale Phasen ihres Schaffens in komplex arrangierten Medleys und Übergängen zusammen. Die Aufnahmen dokumentieren nicht nur die Live-Präsenz der Band, sondern geben auch Einblick in ihr Selbstverständnis als progressive Musiker mit hohem kompositorischem Anspruch.

Historisch betrachtet steht PLAYING THE FOOL an einem Wendepunkt der Bandkarriere. Während das vorherige Studioalbum INTERVIEW kommerziell nur begrenzte Resonanz fand, erzielte das Live-Dokument größere Aufmerksamkeit – insbesondere in Märkten wie Deutschland und den Niederlanden. Dies spricht für die Live-Qualitäten der Band, die es verstand, komplexe Studioarrangements auf der Bühne in präzise und dynamische Darbietungen zu überführen. Der Verzicht auf Studioeffekte zugunsten handwerklicher Exaktheit war ein bewusster künstlerischer Akt und verlieh dem Album seinen eigenständigen Charakter im Vergleich zu typischen Liveplatten der Ära.

Die kürzlich veröffentlichte Neuauflage unter dem erweiterten Titel THE COMPLETE LIVE EXPERIENCE bringt das Material klanglich und inhaltlich auf den aktuellen Stand. Neue technische Mittel erlauben eine deutlich verbesserte Transparenz und räumliche Auflösung, insbesondere in der Dolby-Atmos-Abmischung. Gleichzeitig erweitert die Edition die ursprüngliche Tracklist um bislang unveröffentlichtes Konzertmaterial, das damals der Schere zum Opfer gefallen ist. Den Dolby Atmos Mix hat dieses Mal nicht Steven Wilson erstellt, sondern Dan Bornemark. Er ist schwedischer Musiker, Komponist und langjähriger Gentle-Giant-Fan, der sich durch seine intensive Beschäftigung mit der Band und deren Archivarbeit einen Namen gemacht hat.

Gentle Giant Playing The Fool Dolby Atmos


Tracklist:

1 Intro – 1:24
2 Just the Same / Proclamation – 10:40
3 On Reflection – 7:31
4 Interview – 7:06
5 The Runaway / Experience – 9:54
6 Sweet Georgia Brown (Breakdown in Brussels) – 1:54
7 So Sincere – 10:42
8 Excerpts from Octopus – 15:58
9 Band Introduction – 1:23
10 Funny Ways – 8:58
11 Timing / Violin Solo – 11:40
12 Free Hand – 8:20
13 Peel the Paint / I Lost My Head – 8:01

Gesamtdauer: 103:22


Die Musik:

PLAYING THE FOOL dokumentiert die stilistische Bandbreite von Gentle Giant, die zwischen komplexem Progressive Rock, mittelalterlich geprägten Modalskalen, jazzartigen Harmonien und rockorientierter Energie changiert. Charakteristisch ist der hohe Anteil polyphoner Strukturen und metrischer Verschiebungen, die auch live mit bemerkenswerter Präzision umgesetzt werden. Stücke wie Excerpts from Octopus oder Just the Same zeigen die Band in ihrer Fähigkeit, vielschichtige Arrangements mit scheinbar müheloser technischer Kontrolle zu präsentieren.

Gleichzeitig vermittelt das Album einen Eindruck vom musikalischen Selbstverständnis der Gruppe, das auf instrumentaler Vielseitigkeit und kollektivem Zusammenspiel basiert. Die Musiker wechseln während der Darbietung regelmäßig ihre Instrumente, kombinieren Violine, Cello, Synthesizer und Perkussionselemente zu komplexen Klangbildern und setzen ihre Stücke live in strukturierte, aber nie statische Formen um.

Wertung: 83 %


Besetzung:

Gary Green – Electric guitar, acoustic guitar, 6- and 12-string guitars, backing vocals, alto & soprano recorders, percussion
Kerry Minnear – Electric piano, backing vocals, clavinet, Hammond organ, Moog synthesizer, cello, vibraphone, tenor recorder, percussion
Derek Shulman – Lead vocals, alto saxophone, soprano recorder, bass, percussion
Ray Shulman – Bass, backing vocals, violin, acoustic guitar, soprano recorder, trumpet, percussion
John Weathers – Drums, backing vocals, vibraphone, tambourine, percussion


Der Surroundmix:

Dan Bornemark hat das Kunststück geschafft, dass der Dolby-Atmos-Mix dieser Livedarbietung einerseits wirklich wie ein echtes Konzert klingt, andererseits hat er aber auch nicht darauf verzichtet, die Instrumente im ganzen Raum zu verteilen. Bei vielen Konzert-DVDs und Blu-rays kommen aus den Rears meistens nur Publikumsgeräusche, während die Musik vorne bleibt. Bei PLAYING THE FOOL ist das anders: Hier sind Instrumente überall zu hören – und trotzdem wirkt das Ganze nicht künstlich oder aufgesetzt. Stattdessen fühlt man sich richtig in die Location versetzt, als wäre man selbst dabei gewesen.

Was zuerst auffällt, ist der Sound: Der ist wirklich hervorragend. Es klingt so, als hätte das Konzert letzte Woche stattgefunden. Alles ist klar, druckvoll und präsent. Klar, Puristen könnten kritisieren, dass es nicht mehr wie das Original klingt – aber das muss es ja auch nicht. Das hier ist im Grunde eine neue, erweiterte Veröffentlichung. Niemand muss die alte Version irgendwo zurückgeben, wenn man sich diese neue Ausgabe holt.

Der druckvolle Eindruck entsteht auch dadurch, dass Bornemark die Instrumente im Atmos Mix stark in die Höhe gezogen hat. Vor allem der Bass ist extrem präsent – der geht buchstäblich vom Boden bis zur Decke. Man hat dadurch häufig nicht das Gefühl, dass einzelne Elemente strikt von oben kommen, aber es gibt durchaus Momente, in denen die Höhenkanäle diskret genutzt werden. Zum Beispiel im A-cappella-Teil von On Reflection, wo die Stimmen nicht nur – wie in Steven Wilsons Studiomix – aus allen Richtungen kommen, sondern auch deutlich über dem Kopf positioniert sind. Im 5.1 Mix des Livealbums kommen die Gesangstimmen ebenfalls aus allen Richtungen, es fehlt jedoch die Komponente von oben. Dadurch lassen sich die verschiedenen Stimmen weniger gut heraushören, wodurch der Atmos Mix klar die Nase vorn hat..

Gentle Giant Playing The Fool Dolby Atmos

Bei den rockigeren Stücken sind im hinteren Bereich keine einzelnen Instrumente isoliert zu hören. Stattdessen hat Bornemark einen breiten, räumlichen Bühnensound geschaffen, bei dem sich der Klang weit über den ganzen Raum ausbreitet. Die Gitarre ist eher links in der Mitte des Raums platziert, Tasteninstrumente übernehmen die rechte Seite. Die Rears sind dabei dauerhaft aktiv und tragen stark zur räumlichen Tiefe bei – man hat das Gefühl, direkt auf der Bühne zwischen den Musikern zu stehen. Im 5.1-Mix hatte ich jedoch das Gefühl, dass Gitarre und Keyboards letztlich doch etwas mehr von hinten kommen.

Gentle Giant waren ja nie eine Band, die sich nur auf Gitarre, Bass, Schlagzeug und Keyboards beschränkt hat. Alle Mitglieder spielten auch live noch andere Instrumente – Flöten, Vibraphone, Cello, Violine, Saxofon und mehr. Gerade bei diesen ungewöhnlicheren Passagen wird der Atmos-Mix dann richtig diskret: Mal taucht ein Vibraphon hinten auf, mal ein Cello hinten oben, dann wieder Flöten oder Geigen von der Decke. Auch beim Chorgesang wird immer wieder mit der Platzierung im Raum gespielt. Gleiches gilt für das ausgedehnte Drumsolo bei So Sincere, wo diverse Percussions aus allen Richtungen kommen.

Insgesamt hinterlässt der Dolby Atmos Mix von PLAYING THE FOOL das Gefühl, als hätte man in den 70ern tatsächlich mal ein Konzert dieser beeindruckenden Band besucht.

Wertung: 94 %


Vorhandene Tonformate:
Dolby Atmos
DTS-HD Master Audio 96/24 5.1
PCM 96/24 Stereo

Album starten:

Das Album startet in Stereo. Es muss entweder über die Audiotaste oder vorher im Menü auf Dolby Atmos umgestellt werden.

RUNTER > RUNTER > ENTER > ENTER

Gentle Giant Playing The Fool Blu-ray Menu

2x RUNTER > 2x ENTER

Abwertung: -1,5 %


Bonusmaterial:

Auf der Blu-ray enthalten ist nur das Album in den drei verschiedenen Mixen Stereo, 5.1 und Dolby Atmos. Diverse Animationen begleiten die musikalischen Darbietungen auf dem Fernsehschirm.

 


Anspieltipp:

On Reflection, Excerpts from Octopus


Fazit:

Auch bei Live-Alben kann Dolby Atmos sehr gut funktionieren.

Pros / Cons:
+ Sehr guter Dolby Atmos Mix
+ Sehr guter Gesamtsound
+ High-Resolution Sound auf Blu-ray (+1%)
– Album startet in Stereo (-1,5 %)

 

 

GESAMTWERTUNG: 90 %

Erläuterungen zur Bewertung

Verfügbarkeit:

2CD + Blu-ray: Dieses Set gibt es für knapp 28 Euro zu kaufen.

Streaming: Den Atmos Mix gibt es auch bei Apple, Tidal und vermutlich auch bei Amazon zu hören.

Stand: 28.06.2025


Links:

Offizielle Webseite von Gentle Giant

 

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