Genesis – Selling England By The Pound
Erscheinungsjahr 1973 | SACD + DVD | Progressive Rock
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Weiter geht es mit den Surround Sound Mixen mit Genesis, deren Studioalben vor 10 Jahren in Form von SACD-/DVD-Kombis veröffentlicht wurden. Für die Surroundmixe war seinerzeit Nick Davis verantwortlich, der auch die letzten beiden Alben der Band aus den 90ern mitproduzierte. Diese Neuauflagen kamen auch in drei separaten Boxsets heraus, die chronologisch aufgebaut waren. Die grüne Box, die die Jahre 1970-1975 behandelt, enthält die Studioalben, bei denen Peter Gabriel für den Gesang zuständig war. Lediglich das Erstlingswerk FROM GENESIS TO REVELATION von 1969 fehlt in dieser Box, zum einen weil die Band keine Rechte dafür hat und zum anderen, weil sie es vermutlich ziemlich grässlich findet.
Heute wollen wir uns um das Album von 1973 kümmern, welches SELLING ENGLAND BY THE POUND genannt wurde und als eines der Meisterwerke des Progressive Rock zählt.
Rückblickend betrachten die einzelnen Bandmitglieder das Jahr 1973 als ihr vermutlich harmonischtes. Die neuen Steve Hackett und Phil Collins waren mittlerweile integriert, die harte Arbeit schien sich langsam auszuzahlen und Genesis wurden von Tag zu Tag etwas bekannter. Auch die Plattenfirma ließ sie weitestgehend in Ruhe, war diese doch vom Vorgänger FOXTROTT aus dem Jahr 1972 stark begeistert. Nur einen kleinen Wunsch gab es, Genesis mögen doch endlich mal etwas schreiben, was im Radio gespielt werden könnte. Da passte es gut, dass Steve Hackett gerade ein eingängiges, Beatles-artiges Gitarrenriff entwickelte und Tony Banks seinen ersten Synthesizer hatte, den Arp ProSoloist, der ursprünglich für den Hobbymusiker konzipiert wurde, da man hier nicht mit allen möglichen Einstellungen herum hantieren musste, der letztendich dann doch für viele Bands der erste Berührungspunkt zu künstlich erzeugten Klängen wurde. Heraus kam mit I Know What I Like der erste mehr oder weniger Hit der Band, dessen von Banks erdachte eingängige Refrain-Melodie von Peter Gabriel regelrecht gehasst wurde.
Unter Fans gilt SELLING ENGLAND BY THE POUND als das beste Genesis-Album überhaupt. Hier finden sich mit Firth Of Fifth und The Cinema Show zwei Klassiker, die seitdem eigentlich immer auf Konzerten gespielt wurden, wenn auch später meist nur noch auf die ausufernden Instrumentalteile reduziert, da man eher die bekannten Radiohits spielen musste. Als bisher einziges Album wurde SELLING ENGLAND BY THE POUND vor wenigen Jahren auch auf Blu-ray veröffentlicht, natürlich auch mit dem Surround Mix.
Tracklist:
1 Dancing with the Moonlit Knight – 8:02
2 I Know What I Like (In Your Wardrobe) – 4:03
3 Firth of Fifth – 9:36
4 More Fool Me – 3:10
5 The Battle of Epping Forest – 11:43
6 After the Ordeal – 4:07
7 The Cinema Show – 11:10
8 Aisle of Plenty – 1:30
Gesamtdauer: 53:50
SELLING ENGLAND BY THE POUND klingt merkwürdig. Über das komplette Album ist eine seltsame Atmosphäre zu spüren. Es klingt zum einen sehr englisch, fast schon viktorianisch, enthält aber auch viele Inspirationen aus dem Folk, der Klassik, des Hard Rock und vor allem des Fusion Jazz. Das Album ist überaus reich instrumentiert und bietet eine Vielzahl an langen instrumentalen Teilen, andererseits aber auch eine Menge an Liedtexten (vor allem The Battle of Epping Forest, mit gefühlten 300 Wörtern pro Zeile – Zitat Collins). Der Nachfolger THE LAMB LIES DOWN ON BROADWAY, der nur ein Jahr später erschien, ist fast das komplette Gegenteil. Dort sind die Songs meist nur sehr kurz und wirken zum Teil sehr spröde, kalt und düster. SELLING ENGLAND BY THE POUND klingt dagegen warm und herzlich.
Die Mythen und Legenden, um die es auf den früheren Alben oft ging, machen jetzt Platz für zunehmend gesellschaftskritische Texte. Diese Kritik wurde jedoch auch wieder in Geschichten verpackt. Zudem findet sich auf dem Album mit More Fool Me das erste Liebeslied der Band, bei dem Phil Collins die Leadvocals übernahm. Dieses scheint zum Rest des Album wenig zu passen und stößt bei Fans daher auch auf wenig Gegenliebe.
Die Band hatte die reinste Spielfreude und probierte alles aus, was es auszuprobieren gab. Die Plattenfirma war von dem Ergebnis jedoch weniger begeistert und hielt das Werk für zu überladen. Doch dafür wurde es das erste Album von Genesis, welches es in Groß Britannien in die Top 10 schaffte und bis auf Platz 3 kletterte.
Wertung: 93 %
Besetzung:
Peter Gabriel – vocals, flute, oboe, percussion
Tony Banks – keyboards, 12-string guitar
Steve Hackett – electric guitar, nylon guitar
Michael Rutherford – 12-string guitar, bass, electric sitar, cello
Phil Collins – drums, percussion, lead vocals on „More Fool Me“, backing vocals
Die seltsame Atmosphäre des Albums konnte Nick Davis sehr gut in den Surroundmix überführen.
Alle Kanäle haben Schwerstarbeit zu verrichten und beim Hören fällt auf, dass hier und da einige Instrumente etwas unüblich verteilt wurden, was aber überhaupt nicht stört und kaum auffällt, da es gut zum Kontext passt. Das ist vor allem bei I Know What I Like der Fall. Der Sprechgesang zu Beginn erklingt hier nämlich weit hinten und auch die unzähligen Percussions finden sich weitestgehend in den hinteren Kanälen. Das einsetzende Schlagzeug ist sehr zentral im Raum verteilt und Mike Rutherfords prägnantes Bassspiel kommt hier ebenfalls aus dem hinteren Bereich, während das Riff auf der elektrischen Sitar vorne zu hören ist. Dieses scheint allerdings weitaus weniger präsent zu sein, als im Originalmix.
Neben I Know What I Like ist vor allem The Battle of Epping Forest das Highlight im Surroundmix auf dem Album. Was in Stereo noch völlig überladen klang, klingt hier genau richtig. Ich habe diesen Song früher nie sonderlich gemocht, aber seit ich ihn in 5.1 gehört habe, hat sich das geändert. Hier gewinnt er ungemein. Im Intro scheint eine Marschkapelle von vorne links nach hinten rechts quer durchs Zimmer zu gehen. Vor allem Steve Hackett scheint bei diesem Lied so viel zu tun zu haben, wie auf keinem anderen Stück bei Genesis. Man hört vor allem in den hinteren Kanälen eine Vielzahl an kleinen Gitarrenmelodien, die in der normalen Stereo-Abmischung völlig untergehen.
Leichte Abstriche macht das anschließende instrumentale Stück After the Ordeal, ohne dass man genau sagen könnte, warum das weniger gut klingt. Hier hat man das Gefühl, dass mehr gegangen wäre. Tony Banks ist kein Freund von dem Stück und wollte das ursprünglich nicht auf dem Album haben. Da er bei den Surroundmixen die Funktion des „Supervisors“ inne hatte, kann ich mir gut vorstellen, dass After the Ordeal von ihm eher schnell abgesegnet wurde.
Wertung: 95 %
Vorhandene Tonformate:
SACD DSD 5.1
SACD DSD 2.0
CD Audio
DTS 5.1 (96 kHz / 24 bit)
Dolby Digital 5.1
Die SACD lässt sich (sofern man ein SACD kompatibles Gerät hat und dieses so eingestellt hat) automatisch mit dem 5.1 Mix starten. Wer keinen SACD Player sein eigen nennt, kann den Surround-Mix auch von der DVD hören, der da in Dolly Digital und DTS 96/24 vorliegt. Großer Pluspunkt: Das Menü ist so konzipiert, dass man lediglich zweimal Enter drücken muss, um das Album in DTS hören zu können.
Als Bonus bietet die DVD neben den obligatorischen Bandinterviews (32 Minuten) auch zwei Konzertmitschnitte in Bootleg Qualität (zusammen ca 90 Minuten), die damals mal fürs Fernsehen erstellt wurden. Einer davon, ein französischer MItschnitt aus dem Bataclan hat noch einige Backstage Interviews, die mit einem französischen Sprecher übersetzt wurden. An zumindest englische Untertitel hat man hier nicht gedacht, war wohl zu viel Aufwand … Nichtsdestotrotz, Konzertaufnahmen mit der klassischen Besetzung aus den 70er Jahren gibt es nicht so viele. Da ist es schön, mal die ganz jungen Genesis in Aktion zu sehen, auch wenn Kameraführung etc stark zu wünschen übrig lässt.
Aufwertung: +2,5 %
Anspieltipp:
The Battle of Epping Forest
Das Album ist ein Klassiker, der Surroundmix wird ihm gerecht!
Pros / Cons:
+ sehr guter Surroundmix
+ High Resolution (+ 1%)
+ Bonusmaterial (+ 2,5%)
+ Album lässt sich blind starten
GESAMTWERTUNG: 98 %
Erläuterungen zur Bewertung
SACD / DVD: Der 2008 erschienene 5.1 Mix ist out of Print und nur noch für Preise jenseits von 100 Euro zu bekommen. Die grüne Box mit allen Alben von 1970-1975 kostet gar über 500 € (statt der damaligen 100 €).
Blu-ray: Diese Ausgabe ist ca 2014 erschienen und scheint noch schwerer zu bekommen zu sein. Habe sie lediglich bei Amazon UK für 80 Pfund gebraucht gefunden. Zeit für eine Neuauflage!
Stand: 28.08.2018
Links:
It – Genesis Fanclub