Björk – Selmasongs
Erscheinungsjahr 2000 | Dual Disc (DVD) | Electronica
Springen zu: Musik | Surroundmix | Albumstart | Bonusmaterial | Fazit | Verfügbarkeit
1999 wurde der islandischen Ausnahmekünstlerin Björk angeboten, für den kommenden Film von Lars von Trier die Musik zu schreiben. Die Musik sollte hierbei eine zentrale Rolle spielen, denn schließlich sollte der Film Musical-Elemente enthalten. Da die Hauptdarstellerin des Films entsprechend viele Gesangspassagen haben sollte, fragte von Trier Björk, ob sie auch die Hauptrolle übernehmen würde. Nach langem Zögern sagte Björk auch dafür zu.
Der Film Dancer In the Dark kam im Jahr 2000 in die Kinos und konnte einige Preise gewinnen. Vor allem die schauspielerische Leistung Björks wurde gelobt, der man glaubhaft abnehmen konnte, dass sie die tragische Hauptfigur Selma nicht nur spielt sondern auch ist.
Der Film ist ein Drama im sogenannten Dogma-Stil, bei dem mittels Handkamera und vorhandenem Licht die Handlung dokumentarisch beobachtet wird und auf viele Schnitte und häufige Wechsel der Kameraperspektive verzichtet wird. Unterbrochen wird dies durch die Musical-Sequenzen, die wie Traumsequenzen wirken und deutlich aufwendiger realisiert wurden.
Die Songs aus diesem Film sind schließlich auch als Soundtrack-Album von Björk veröffentlicht worden. Das Album SELMASONGS hat dabei mehr den Charakter einer EP, da es mit 32 Minuten relativ kurz ist. Sechs Jahre später wurde es im Zuge der Surrounded-Serie als sogenannte Dual-Disc (doppelseitiges Medium, eine Seite CD, die andere DVD) mit einem von Paul PDub Walton erstellten Surroundmix wiederveröffentlicht.
Tracklist:
1 Overture – 3:38
2 Cvalda – 4:48
3 I’ve Seen It All – 5:29
4 Scatterheart – 6:40
5 In the Musicals – 4:41
6 107 Steps – 2:36
7 New World – 4:22
Gesamtdauer: 32:12
Die Songs auf dem Album unterscheiden sich zum Teil beträchtlich von den Versionen, wie sie im Film vorkommen. Im Film versuchen sich neben Björk auch die anderen Schauspieler an den Gesangsdarbietungen, unter ihnen Catherine Deneuve, David Morse und Peter Stormare. Nur Catherine Deneuve hat es auf das Album geschafft, die anderen Gesangsparts übernimmt Björk zumeist selber. Lediglich der Part von Peter Stormare im Stück I‘ve Seen It All wurde Marketing-gerecht von Radiohead-Sänger Thom Yorke übernommen. Dieses Duett wurde später als Single veröffentlicht. Auch die Texte hat Björk ein wenig verändert, hauptsächlich um die Handlung des Films nicht zu verraten, da das Album etwas früher erschienen ist.
Musikalisch gesehen besteht das Album aus dem elektronischen Klangkosmos der isländischen Musikerin, wie man ihn schon auf ihren letzten Alben gehört hat. Dazu gibt es zahlreiche Einsätze von Streichern und Bläsern, um die Musik an die Musicals der 50er und 60er zu erinnern. Das erste Stück, die Ouvertüre, besteht nur aus dem Orchester, welches das Haupthema des Films spielt. Ich meine mich erinnern zu können, dass dies im Film die Musik zum Vorspann ist.
Anschließend kommen die Songs. Die meisten haben einen ähnlichen Aufbau, die der Filmhandlung geschuldet ist. Dazu muss man wissen, dass Selma im Film fast blind ist und somit sehr auf Geräusche fixiert ist. Ihre musikalischen Tagträume und somit die Musikdarbietungen werden dabei immer durch irgendwelche Geräusche in der Umgebung hervorgerufen. Daher beginnen die Songs immer mit rhythmischen Loops, die von Maschinen, Zügen, Schritten, Schallplatten und so weiter herkommen. Diese Idee passt perfekt zu Björks Musik, da ihre Songs sehr häufig ein Fundament von geloopten, rhythmischen Sounds haben. So bietet das Album eine interessante Mischung aus elektronischen Klängen, die mit typischer Musical-Untermalung, mal mehr, mal weniger jazzig, bereichert werden.
Wertung: 79 %
Besetzung:
Björk – celesta, programming, vocals
Mark Bell – programming
Valgeir Sigurdsson – programming
Guy Sigsworth – celesta
Catherine Deneuve – vocals
Thom Yorke – vocals
Siobhan Fallon – vocals
Die bisherigen Surroundmixe von Björk, die ich besprochen habe, boten Licht und Schatten. Das Debüt hatte relativ wenig im Surround zu bieten. Homogenic dagegen kam bei mir viel besser weg. Wie sieht es nun mit SELMASONGS aus?
Die instrumentale Overtüre, welche aus reinem Orchester besteht ist eher konservativ abgemischt. Orchestersounds sind zwar im gesamten Raum verteilt, man hat aber eher das Gefühl, dass man einen Gesamtsound hört, statt dass man einzelne Instrumente bewusst heraushören kann, vergleichbar mit der 7-Kanal-Stereo-Einstellung am Verstärker.
Interessanter wird es dann mit den anschließenden Songs, wenn das Album wirklich nach einem Björk-Album klingt. Bei diesen Songs wird wieder das Konzept angewendet, welches auch auf den anderen Surrounded-Abmischungen der isländischen Künstlerin zu hören ist. Hier sind es vor allem die unzähligen rhythmischen Zutaten, die im Raum verteilt werden und ein Räumlichkeitsgefühl hervorrufen. Wobei man sagen muss, dass die anfänglichen Samples, wie sie auch im Film zu hören sind und dort zu den Musical-artigen Darbietungen führen, doch eher flach wirken. So kommen die Eisenbahngeräusche in I‘ve Seen It All relativ frontal, statt das man wirklich das Gefühl hat, an Bahngleisen zu sitzen.
Bis auf die vielen Drumcomputer-Spuren spielt sich in den Stücken vieles in der vorderen Hälfte des Raumes ab. Es kommt eher selten vor, dass auch Bläser oder Streicher hinter den Hörer platziert werden. Da wäre mit Sicherheit mehr drin gewesen.
Das Highlight der Abmischung dürfte der Song Scatterheart sein. Dieser beginnt mit Schallplattenknistern und einem Spiel auf einem Celesta (sozusagen ein Glockenspiel in einem Klavierkostüm verpackt), welches vorne und hinten erklingt. Interessant ist, dass es durch das Knistern gelegentlich zwischen vorne und hinten zu springen scheint, was sehr interessant klingt. Interessant ist zudem, dass das Orchester, welches zunächst sehr leise hinterm Hörer zu hören ist, mit zunehmender Dauer lauter und bedrohlicher wird, was gut zu diesem Song passt, der im Film auch zu einem Zeitpunkt kommt, nachdem sich die Handlung verstörend gewendet hat.
Wertung: 86 %
Vorhandene Tonformate:
DTS 5.1 (96 kHz / 24 bit)
Dolby Digital 5.1
Stereo
Nach Erklingen der bekannten Universal Video Fanfare taucht das Menü auf, welches man aber nicht wirklich blind bedienen kann, will man das Album in der besten Soundqualität genießen. Drücken auf Enter (2x) spielt es nur in Dolby Digital ab, man kann anschließend leider nicht per Audiotaste auf DTS umschalten. Will man DTS Sound hören, muss man im Menü einmal die Pfeiltaste nach unten drücken und dann die Entertasten drücken. Weitere Bedienungsfalle: Innerhalb des Albums kann man nicht ohne weiteres zum nächsten Lied skippen. Dafür gibt es je einen Strafpunkt.
Um das Album in DTS zu spielen, gilt: DOWN > ENTER > ENTER
Abwertung: -2%
Normalerweise enthalten die Björk-Surrounded-Scheiben auch die Musikvideos als Bonusmaterial. Bei Selmasongs fehlt das Musikvideo zu I’ve Seen It All mit Thome Yorke. Ich vermute, dass es hier ein Rechteproblem gab.
Anspieltipp:
Scatterheart
Auch eher ein Surroundmix, der zwar gut ist, bei dem aber etwas mehr gegangen wäre.
Pros / Cons:
+ guter Surroundmix, aber nicht ünberragend
– schlechtes DVD-Authoring (- 2%)
GESAMTWERTUNG: 82 %
Erläuterungen zur Bewertung
Dual Disc: Ist leider so gut wie vergriffen, gelegentlich sieht man noch Gebrauchtpreise ab 30 Euro.
Surrounded Box: mit allen 7 Veröffentlichungen von Björk in 5.1. von 1993 bis 2006, gibt es gebraucht für ca. 200 Euro.
Stand: 09.07.2020
Links:
Offizielle Webseite von Björk