
Pearl Jam – Binaural
Erscheinungsjahr 2000 | Blu-ray / Streaming | Alternative Rock
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Wenn ein Album jemals allein wegen seines Titels auf dieser Seite besprochen werden müsste, dann BINAURAL – das sechste Studioalbum von Pearl Jam, erschienen im Jahr 2000. Seit einigen Wochen liegt es nun auch im Dolby-Atmos-Mix vor, sowohl im Stream als auch auf Blu-ray.
BINAURAL ist ein Werk, das unter schwierigen Bedingungen entstand und zugleich ein technisches Experiment darstellte. Der Titel verweist auf die binaurale Aufnahmetechnik, die bei mehreren Songs zum Einsatz kam und für eine besondere räumliche Klangwirkung sorgen sollte. Die Produktion übernahm diesmal nicht Brendan O’Brien, sondern Toningenieur Tchad Blake, der für seinen experimentellen Ansatz bekannt ist. Blake ist auch durch seine Arbeit mit Peter Gabriel bekannt.
Das Album markierte in mehrfacher Hinsicht eine Zäsur in der Bandgeschichte: Zum einen war es das erste Studioalbum mit Schlagzeuger Matt Cameron, der nach dem Ausstieg von Jack Irons fest zur Band stieß. Zum anderen entstanden die Aufnahmen unter schwierigen persönlichen Umständen. Frontmann Eddie Vedder kämpfte mit einer schweren Schreibblockade, Gitarrist Mike McCready mit Suchtproblemen. Beides wirkte sich auf den Entstehungsprozess und die Stimmung des Albums aus.
Die Verkaufszahlen fielen im Vergleich zu früheren Werken deutlich geringer aus. Zwar erreichte BINAURAL in den USA Platz 2 der Billboard-Charts, doch es blieb das erste Pearl-Jam-Studioalbum, das keinen Platinstatus erlangte. Auch die Singles Nothing As It Seems und Light Years konnten sich kommerziell nicht durchsetzen, obwohl das Album mit Grievance immerhin eine Grammy-Nominierung in der Kategorie „Best Hard Rock Performance“ erhielt.
Geprägt wurde die BINAURAL-Ära auch von der tragischen Roskilde-Katastrophe, bei der neun Menschen während des Auftrittes der Band ums Leben kamen. Pearl Jam sagte daraufhin mehrere Konzerte ab und zog sich für einige Zeit zurück. Sogar die Auflösung wurde in Betracht gezogen.
Tracklist:
1 Breakerfall – 2:19
2 God’s Dice – 2:26
3 Evacuation – 2:56
4 Light Years – 5:06
5 Nothing As It Seems – 5:22
6 Thin Air – 3:32
7 Insignificance – 4:28
8 Of the Girl – 5:07
9 Grievance – 3:14
10 Rival – 3:38
11 Sleight of Hand – 4:47
12 Soon Forget – 1:46
13 Parting Ways – 7:17
Gesamtdauer: 52:10
Mit BINAURAL schlugen Pearl Jam einen deutlich experimentelleren Kurs ein. Das Album entfernt sich hörbar vom direkten Grunge-Sound der Frühphase und auch vom vergleichsweise zugänglichen Vorgänger YIELD. Statt hymnischem Stadionrock setzt das sechste Studioalbum verstärkt auf komplexe Texturen, ungewöhnliche Arrangements und einen introspektiven Tonfall. Besonders im Mittelteil dominieren getragene, atmosphärische Stücke.
Ein prägendes Element ist die namensgebende binaurale Aufnahmetechnik, bei der Produzent Tchad Blake mit künstlichem Kopf und Mikrofonen im „Ohr“ aufnahm – was beim Hören über Kopfhörer für eine räumlich plastische Abbildung sorgt. Diese Herangehensweise spiegelt sich in der generellen Ausrichtung des Albums wider: Songs wie Nothing as It Seems oder Light Years arbeiten mit weit ausgreifenden Sounds, Moll-Tonarten und einem zurückgenommenen, fast psychedelischen Grundgefühl. Anklänge an Pink Floyd sind dabei ebenso hörbar wie die Neigung zu melancholischem Art-Rock. Trotz allem fehlt es dem Album nicht an guten Melodien.
Insgesamt zeigt sich hier eine Band, die sich von alten Mustern löst. Das reicht von Who-inspiriertem Uptempo-Rock zu Beginn über folkige Ukulelen-Experimente (Soon Forget) bis hin zu cinematisch arrangierten Abschlussnummern wie Parting Ways. Insgesamt gehört BINAURAL zu meinen favorisierten Alben der Band.
Wertung: 83 %
Besetzung:
Eddie Vedder – vocals, guitar, ukulele
Stone Gossard – guitar
Jeff Ament – bass
Mike McCready – guitar
Matt Cameron – drums
April Cameron – viola
Justine Foy – cello
Mitchell Froom – keyboards, harmonium
Wendy Melvoin – percussion
Pete Thomas – percussion
Dakota – canine vocal
Den Dolby-Atmos-Mix haben Josh Evans und Nick Rives erstellt. Es gibt bereits einige Alben von Pearl Jam in Dolby Atmos, die zumeist allerdings nur auf Streamingportalen zu hören sind. Zuletzt wurde jedoch das neue Album DARK MATTER auch auf Blu-ray veröffentlicht. Außerdem erschien VITALOGY zumindest in kleiner Auflage auf der bandeigenen Website als Blu-ray. BINAURAL ist nun zum 25. Geburtstag weltweit in Atmos erschienen.
Im Vergleich zu den bisherigen Atmos-Mixen von Pearl Jam, die ich gehört habe, ist BINAURAL ein Fortschritt. Die bisherigen Alben sind zwar alle gut abgemischt, aber man hatte doch oft das Gefühl, dass noch mehr möglich gewesen wäre. Auf BINAURAL geht mehr – und zwar deshalb, weil die Musik stärker in den Raum hineingezogen wird. Im Großen und Ganzen bleibt das grundsätzliche Konzept der früheren Mixe aber erhalten: Gitarren werden links und rechts im Raum verteilt, sodass sich dort dichte Gitarrenwände ergeben, die auch in die Höhe gestaffelt sind. Wirklich diskrete Momente aus den Rears gibt es eher selten. Am auffälligsten sind hier die Gitarre im letzten Stück sowie – ganz am Ende – die Schreibmaschine im Hidden Track Writer’s Block.
Auch die Höhenkanäle werden in erster Linie dazu verwendet, Gitarren voluminöser klingen zu lassen. Hin und wieder vernimmt man aber auch gezielt höher platzierte Elemente. Das betrifft vor allem Effektsounds, Gitarrenfeedback, Halleffekte und Ähnliches. In Rival erklingt eine Leadgitarre von oben; dort ist auch ein dünn klingendes Klavier zu hören. Vereinzelte zusätzliche Gesangsspuren werden ebenfalls höher im Raum positioniert. Bei einigen Stücken hatte ich zudem den Eindruck, dass Leadgesang und Schlagzeug leicht angehoben liegen.
Durch die vielen Gitarrenspuren und den dichten „Gitarrenwald“, der sich im gesamten Raum entfaltet, wirkt BINAURAL insgesamt sehr immersiv. Für Hörer, die eine besonders diskrete Verteilung bevorzugen, könnte es an manchen Stellen dennoch noch etwas zurückhaltend wirken. So klingt das Album auf normalem 5.1-Equipment auch etwas verhaltener.
Wertung: 89 %
Vorhandene Tonformate:
Dolby Atmos
LPCM 2.0 (192/24 und 96/24)
BINAURAL startet auf der Blu-Ray per Enter in Dolby Atmos. Perfekt.
Bonusmaterial findet sich keins. Es gibt das Album zweimal im Stereo-Mix. Keine Ahnung, ob es sich um unterschiedliche Stereo-Mixe handelt.
Anspieltipp:
Nothing as It Seems, Of The Girl
Die Atmos Mixe von Pearl Jam werden mit diesem Album immersiver. Das Ende der Fahnenstange ist aber noch nicht erreicht.
Pros / Cons:
+ Guter immersiver Dolby Atmos Mix
+ High-Resolution Sound auf Blu-ray (+1%)
+ Startet in Atmos
GESAMTWERTUNG: 88 %
Erläuterungen zur Bewertung
Blu-ray: Die Blu-ray wurde erst kürzlich veröffentlicht und sollte noch für ca. 27 Euro erhältlich sein.
Streaming: Den Atmos Mix von BINAURAL gibt es außerdem bei Apple, Amazon und Tidal zu hören.
Stand: 17.08.2025
Links:
Offizielle Webseite von Pearl Jam