
Jethro Tull – Curious Ruminant
Erscheinungsjahr 2025 | Blu-ray | Progressive Rock
Springen zu: Musik | Surroundmix | Albumstart | Bonusmaterial | Fazit | Verfügbarkeit
CURIOUS RUMINANT ist das 24. Studioalbum von JETHRO TULL und erschien am 7. März 2025. Die Entstehung des Albums basiert auf einer Mischung aus älteren Demoideen und neuem Material. Im Zentrum steht das über 16 Minuten lange Stück Drink from the Same Well, dessen Ursprung bis ins Jahr 2007 zurückreicht. Ian Anderson hatte damals eine Demo für eine geplante Zusammenarbeit mit dem indischen Flötisten Hariprasad Chaurasia aufgenommen. Diese blieb zunächst ungenutzt und wurde erst viele Jahre später auf einem alten Computer wiederentdeckt.
Die Hauptproduktion des Albums fand im Frühjahr und Sommer 2024 statt. Anderson begann im Mai gemeinsam mit John O’Hara und David Goodier, unvollendete Demos weiterzuentwickeln. Die Texte wurden innerhalb weniger Wochen im Juni geschrieben, bevor im Juli die Aufnahmen abgeschlossen wurden.
Neben den aktuellen Bandmitgliedern wirkten auch ehemalige Weggefährten wie Andrew Giddings und James Duncan mit. Neu im Line-up ist Gitarrist Jack Clark, der hier erstmals mit JETHRO TULL im Studio zu hören ist. Wie gewohnt wurde auch eine Deluxe Edition mit Blu-ray veröffentlicht, auf der das Album in einem Dolby Atmos Mix von Bruce Soord vorliegt.
Die Deluxe Edition von CURIOUS RUMINANT enthält einen auffälligen Druckfehler im Artbook: Die Seiten 32 und 33 – mit Portraitfotos der übrigen Bandmitglieder – sind doppelt vorhanden. Dadurch fehlen zwei andere Seiten, auf denen ursprünglich ein Foto von Ian Anderson (in kurzer Hose) sowie die vollständigen Albumcredits abgedruckt sein sollten. Angesichts der ohnehin dominierenden Präsenz Andersons im Booklet auf den Seiten zuvor wirkt dieser Fehler beinahe ironisch – fast so, als hätte man unbewusst die Balance wiederherstellen wollen. Als Ausgleich liegt der Edition ein QR-Code-Sticker bei, der Zugang zu einem Entschuldigungsvideo von Ian Anderson, einem korrigierten PDF-Artbook und weiterem Bonusmaterial bietet.
In den Charts erzielte CURIOUS RUMINANT solide Platzierungen, darunter Platz 2 in Deutschland. Die Kritik fiel überwiegend positiv aus: Gelobt wurden Andersons Flötenspiel und die stilistische Nähe zu früheren Folk-Prog-Werken. Kritische Stimmen bemängeln jedoch die monotone Gesangsstilistik von Anderson sowie die teils eintönigen Melodien.
Tracklist:
1 Puppet And The Puppet Master – 4:04
2 Curious Ruminant – 6:00
3 Dunsinane Hill – 4:17
4 The Tipu House – 3:31
5 Savannah Of Paddington Green – 3:13
6 Stygian Hand – 4:16
7 Over Jerusalem – 5:55
8 Drink From The Same Well – 16:42
9 Interim Sleep – 2:33
Gesamtdauer: 50:31
Musikalisch knüpft CURIOUS RUMINANT an die späten Arbeiten von Jethro Tull an und bleibt dabei stilistisch zwischen Progressive Rock und Folk verwurzelt. Die neun Stücke des Albums zeigen eine große Bandbreite, sowohl was Instrumentierung als auch Stimmung angeht. Viele Arrangements wirken bewusst zurückgenommen und lassen akustischen Instrumenten wie Flöte, Mandoline oder – besonders auffällig – dem Akkordeon viel Raum. Letzteres wird im Klangkosmos der Band geradezu wiederbelebt und prägt mehrere Stücke in ihrer Grundstimmung.
Ins Auge springt natürlich Drink From The Same Well mit seiner Spielzeit von über 16 Minuten. Das Stück ist jedoch weniger komplex, als man zunächst vermuten könnte. Im Kern besteht es aus einem langen Instrumentalteil – jenem, der bereits 2007 entstanden ist – und einem eigenständigen Song, der zur vorausgehenden Passage inhaltlich kaum Bezug hat. Den Abschluss bildet eine etwas kürzere Reprise des Instrumentals vom Anfang.
Auch die übrigen Titel zeigen Ian Andersons Hang zu fein gearbeiteten Melodien, oft getragen von seiner charakteristischen Flöte. Puppet And The Puppet Master eröffnet das Album mit einem ruhigen Zusammenspiel aus Klavier und Akkordeon, während Dunsinane Hill stärker folkig geprägt ist. Trotz aller stilistischen Vielfalt wirkt das Album geschlossen, was auch an der reduzierten, teils kammermusikalischen Herangehensweise liegt. Die Gesangslinien sind zurückhaltend und ordnen sich dem Gesamtsound unter, der mehr Wert auf Atmosphäre als auf vordergründige Eingängigkeit legt.
Wertung: 80 %
Besetzung:
Ian Anderson – vocals, concert flutes, alto flutes, Irish whistle, acoustic guitar, tenor guitar, mandolin
David Goodier – bass guitar
John O’Hara – piano, keyboards, accordion
Jack Clark – electric guitar
Scott Hammond – drums
James Duncan – drums, cajón, percussion
Andrew Giddings – piano, keyboards, accordion,
Bruce Soord ist mit dem Dolby-Atmos-Mix von CURIOUS RUMINANT ein sehr stimmiges Klangbild gelungen – was angesichts seiner bisherigen Arbeiten nicht wirklich überrascht. Interessant ist dabei vor allem, dass der Mix nicht auf die übliche diskrete Ortung einzelner Instrumente setzt, wie man gerne in Surroundmixen hat. Hier steht eher eine flächige, immersive Verteilung der Klangelemente im Vordergrund. Die genaue Position eines Instruments lässt sich dabei oftmals schwer ausmachen. Am auffälligsten ist noch das Akkordeon, das wiederholt hinten rechts zu hören ist. Bei einigen Stücken sind außerdem akustische Gitarren oder andere Saiteninstrumente dezent im hinteren Surroundbereich auszumachen.
Der Mix wirkt dennoch sehr räumlich und erzeugt eine starke Immersion. Soord verteilt viele Instrumente breit über den Raum, wodurch sich ein offenes, fast grenzenloses Klangbild ergibt. E-Gitarren wirken häufig weit in den Raum geschoben, gelegentlich ebenfalls rechts positioniert, gleiches gilt auch für Flöten und Klavier. Die Instrumente kleben zudem nicht am Boden oder auf Lautsprecherhöhe, sondern füllen durch den gezielten Einsatz der Deckenlautsprecher auch die vertikale Ebene – der Klang scheint den gesamten Raum bis unter die Decke einzunehmen. Schließt man die Augen, verliert sich die Wahrnehmbarkeit einzelner Lautsprecherpositionen nahezu vollständig. Stattdessen entsteht der Eindruck, von einem einzigen, sehr großen Lautsprecherfeld umgeben zu sein.
Auffällig ist auch die Positionierung von Ian Andersons Flöte, die häufig oben platziert wurde und dadurch nahezu die Decke einzunehmen scheint – was ihr im Mix eine eindrucksvolle Präsenz verleiht. Auch Andersons Gesang wurde häufig höher im Raum eingeordnet, was als mutige Entscheidung gelten kann: Gerade in den letzten Jahren war seine stimmliche Leistung eher schwankend und eher eine Art Sprechgesang. Im vorliegenden Mix funktioniert diese Entscheidung aber erstaunlich gut. Mir gefällt auf diesem Album die Abmischung des Gesangs um einiges besser, als auf den letzten beiden Jethro Tull Alben.
Fast jedes Stück enthält Hintergrundgesang, der mit Effekten versehen wurde. Dieser kommt zumeist aus der hinteren Raumhälfte. Teilweise wurden auch Lead-Vocals mit Effekten versehen und nach hinten gelegt, was dem oftmals monotonen Gesang Andersons zu Gute kommt.
Auch klanglich überzeugt der Atmos-Mix durch hohe Transparenz und eine sehr natürliche Darstellung der Instrumente. Alles klingt plastisch, greifbar und detailreich. Ich wüsste nicht, was man hier hätte besser machen können.
Für Nutzer herkömmlicher Surroundsysteme empfiehlt Bruce Soord, den separat erstellten 5.1-Mix zu hören, anstatt den aus der Dolby-Atmos-Fassung generierten Downmix. Im Vergleich zur Atmos-Version setzt der 5.1-Mix etwas stärkere Akzente auf den Rear-Lautsprechern, während der Atmos-Mix – wie bereits erwähnt – eine gleichmäßigere Vollraumverteilung anstrebt. Die Unterschiede zwischen beiden Mischungen sind insgesamt gering. Persönlich bevorzuge ich den Atmos-Mix auf entsprechendem Equipment, was auch daran liegen könnte, dass mir manche Soundeffekte in den Backing-Vocals im 5.1-Mix leicht überzeichnet erscheinen. Im Atmos-Mix wirken sie stimmiger eingebettet.
Wertung: 96 %
Vorhandene Tonformate:
Dolby Atmos
DTS HD MASTER AUDIO 5.1
PCM Stereo (beide Mixe)
Vorbildlich: Das Album startet per Enter-Taste aus dem Menü direkt in Dolby Atmos.
Ian Anderson macht auf diesem Album den Peter Gabriel. CURIOUS RUMINANT gibt es nämlich in der Deluxe Edition gleich in zwei Stereomixen, seinem eigenen (CD 1) und einem alternativen von Bruce Soord (CD 2). Auf der Bluray gibt es zudem noch ein Video, in dem sich Ian Anderson und Bruce Soord über den Atmos Mix unterhalten (18 Min). Außerdem gibt es noch ein weiteres Video (29 Min), in dem Anderson auf die Lyrics eingeht und diese vorliest. Zyniker könnten behaupten, dass dies fast wie eine A Cappella Version des Albums klingt.
Aufwertung: + 1 %
Anspieltipp:
Curious Ruminant, Drink From The Same Well
Von den drei in den letzten Jahren veröffentlichten neuen Jethro Tull Alben das bisher beste.
Pros / Cons:
+ sehr guter Dolby Atmos Mix
+ Bonus-Material (+1 %)
+ High-Res (+1 %)
GESAMTWERTUNG: 93 %
Erläuterungen zur Bewertung
Limited Deluxe Edition: Kostet um die 50 Euro und ist noch ohne Probleme zu bekommen.
Limited Deluxe Edition mit Doppelvinyl: Diese Version enthält neben dem Artbook auch noch 2 LP’s (Clear Vinyl). Kostenpunkt um die 100 Euro.
Streaming: Der Dolby Atmos Mix kann auch auf Apple Music, Tidal und wohl auch auf Amazon Music gehört werden
Stand: 24.04.2025
Links:
Offizielle Webseite von Jethro Tull